Wien Kunst
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Valerie Ludwig und ihre Motive

Valerie Ludwig ist visuelle Künstlerin aus Hamburg, lebt und arbeitet in Wien. Sie studiert Malerei bei Veronika Dirnhofer an der Akademie der bildenden Künste in Wien und ist dort außerdem Studierende im Master in Critical Studies.

Zentrale Medien ihrer Arbeit sind die Zeichnung und die Monotypie, die sie als kollaborative Instrumente der Bildfindung konstant befragt. Ihr Interesse gilt insbesondere der Dekonstruktion, der Archivierung und der kollektiven Arbeit. Zuletzt stellte sie ihre Arbeiten in der Einzelausstellung Dies ist keine Parkbank im KDK Offspace der Deichtorhallen Hamburg und der Gruppenausstellung SHIFT in der Frappant Galerie in Hamburg aus.

Du hast an der HAW Hamburg dein Bachelorstudium absolviert, bist du noch oft in der Hansestadt?
Zumindest zwei mal im Jahr, als oft würde ich das nicht beschreiben. 2018 habe ich mein Bachelor Studium in Kommunikationsdesign mit Schwerpunkt auf Zeichnung und Druckgrafik bei Gesa Lange absolviert. Als ich vor einem Jahr testweise nach Wien gezogen bin, brauchte ich mal einen Tapetenwechsel. Ich habe dann erst drei Monate beim Harpune Verlag in Wien mitgearbeitet, was letztendlich der Beginn des Abschieds aus Hamburg war. Wenn ich jetzt zurück komme, weiß ich die graue Stadt wieder zu schätzen. Ich habe acht Jahre dort gelebt und mich zuletzt im Künstler*innen Kollektiv POSSY künstlerisch-aktivistisch engagiert. Im Oktober letzten Jahres haben wir eine große Gruppenausstellung in Hamburg kuratiert. Über die Distanz war das schon eine Herausforderung. Schlussendlich waren wir aber mit dem Ergebnis und den positiven Reaktionen sehr zufrieden.

POSSY ist ein Künstlerinnen Kollektiv, das sich vor drei Jahren in Hamburg aus dem Wunsch nach mehr weiblicher, trans und nicht-binärer Präsenz in der Hamburger Clubkultur und Kunstszene entwickelt hat.

Was hat es mit der POSSYgang auf sich. Kannst du uns näheres über das Kollektiv erzählen?
POSSY ist ein Künstlerinnen Kollektiv, das sich vor drei Jahren in Hamburg aus dem Wunsch nach mehr weiblicher, trans und nicht-binärer Präsenz in der Hamburger Clubkultur und Kunstszene entwickelt hat. Es steht für künstlerischen Austausch und ist eine feministische Plattform. Viele der Akteurinnen sind DJs oder Künstlerinnen. Der Fokus des Kollektivs liegt darin, durch DJ Sets im Club oder das verfügbar machen von Workshops und Veranstaltungsräumen die Sichtbarkeit von Frauen, trans- und nicht-binären Personen zu erhöhen. Ein Großprojekt war die Ausstellung SHIFT — beyond the binary in der Frappant Galerie im Oktober letzten Jahres, bei der ich als Kuratorin beteiligt war. Ein Ausgangspunkt war es, Künstler*innen über einen Open Call zu ermöglichen, ihre Arbeiten zu präsentieren. Mir ist aufgefallen, dass das hier in Wien viel üblicher ist. In Hamburg passiert das eher selten — oder falls doch, versteckt.

Welche Themen und Motive behandelst du in deinen Werken?
Momentan verbringe ich Zeit damit, auf Baustellen, Straßen oder Verkehrsknotenpunkten Maschinen, Markierungen, Anweisungen, Schläuche, Gitter oder Aufkleber zu fotografieren und sie später durch die Zeichnung zu zerlegen, zu verschieben und auf einem Bild wieder miteinander zu verbinden. Ordnungssysteme faszinieren mich. Sie sind eine riesige Institution. Die Dekonstruktion und die Archivierung als Methoden spielen in meinem Schaffensprozess sicher eine Rolle. Eine meiner Lieblingsmotive sind übrigens Bedienungsanleitungen von Massage-Sesseln auf Bahnhöfen. In meinem Master Studium beschäftige ich mich viel mit feministischen Methoden, kritisch-künstlerischer Forschung und der Genealogie ästhetischer Theorien. Ich beabsichtige aber nicht, dass meine künstlerischen Arbeiten zu deren politischem Instrument werden, sondern verstehe auch die Zeichnung als eigenständige und prozesshafte Erschließung von Wissen. Aus beiden Formen der Aneignung ergeben sich den Handlungsoptionen, auf die ich reagiere.

Was ist das Charakteristische an deiner Kunst?
Die Linie. Zeichnung ist der Beginn meiner Arbeit und eine Linie kann vieles sein. Mich interessiert ihre Einfachheit, aber auch die Komplexität und das Malerische an ihr. Denken und Tun kommen hier zusammen. Darüber hinaus hat die Druckgrafik meine Vorgehensweise, Bildfindung und Bildsprache geprägt. Den Prozess, in dem eine Arbeit zustande kommt, beziehe ich als wesentliches Element mit ein. Die Möglichkeit, etwas zu vervielfältigen, lasse ich außer Acht. Die Monotypie und der bildhauerische Aspekt eines Druckstocks an sich sind für mich spannender.

Wie nützt du die aktuelle Situation?
Zwei Ausstellungen wurden bereits abgesagt, die dritte steht auf der Kippe. Damit bin ich in einer ähnlichen Situation wie viele andere Künstler*innen im Moment. Die aktuelle Situation nutze ich trotzdem, um voran zu kommen. Seit der Sperrung der Gruppenateliers in der Akademie sind zwei Wochen vergangen. Ein Atelier als Arbeitsort ist für mich nicht wegzudenken — ich habe also mein Zimmer mit Folie und Filz ausgelegt und kann dort weiter arbeiten. Die Arbeit in Isolation erinnert mich an die Mystifizierung des Künstlergenies und scheint mir eher wenig spannend. Dass viele Wege und Treffen ausfallen, vermisse ich, aber etwas Gutes hat es doch: Ich habe mehr Zeit, um kontinuierlich bei einer Sache zu bleiben.

Künstlerin: Valerie Ludwig

Was ist Dein aktuelles Projekt? Wo liegt dein Fokus?
Aktuell arbeite ich viel mit Schlagschnur und Wachsmatrizen. Beide Techniken bringen charakteristische Eigenschaften mit sich, die ich in Ruhe beobachte.

Valerie Ludwig – www.valerieludwig.de