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Krems

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donaufestival Atmo Messe 2023
donaufestival Atmo Messe 2023. © David Visnjic/donaufestival

Community of Aliens. Nur Fremde verstehen die Welt, heißt es. Wie können die Fremden aussehen, die uns verstehen? Vielleicht so wie jenes erratische Wesen im Zentrum der Performance VOID von Joshua Serafin, das von philippinischen Gottheiten inspiriert ist? Oder wie jene „alien collectives“, die Sylvia Eckermann und Gerald Nestler in einem Mixed-Reality-Projekt im Zeichen der kosmologischen Vielfalt zur Geltung verhelfen wollen? 

Im Zentrum des Festivals 2024 steht eine „unmögliche“ Frage: Wie soll sich eine Gemeinschaft herstellen, die die Erfahrung von Fremdheit und (Selbst-)Entfremdung sowie den gestörten Stoffwechsel mit der Natur zur Grundlage hat? Wo finden sich künstlerische Transformationspotenziale, die einen produktiven Umgang mit tyrannischen Formen des „Othering“ wie Rassismus und Sexismus ermöglichen? 

donaufestival Atmo 2022
donaufestival Atmo 2022. © David Visnjic/donaufestival

Das donaufestival 2024 sucht nach Figuren des Übergangs, die zwischen toxischen Vergangenheiten und ungeahnten Zukünften vermitteln könnten. Solche finden sich möglicherweise in der futuristischen Folk Music des exiliranisch-chilenischen Trios HUUUM, in der neuen warholesken Arbeit I Want To Be A Machine der Sängerin Jenny Hval, in den afrofuturistischen Telepathie-Spekulationen von Dopplereffekt oder in den campen, mit Bühnen-Schweißarbeiten beschäftigten Cowboys in der Performance Impact Driver von Eve Stainton (Live-Musik: Leisha Thomas und Mica Levi).Erfreulich fremd im eigenen Kopf, im eigenen Körper wird man vielleicht inmitten des Abrissbirnen-Gedöns von Evian Christ, angesichts des energetischen Rap von Aunty Rayzor, des Techno-Animismus von Meuko! Meuko!,vor dem ungebärdigen Noise der neuen heimischen Supergroup EAERES oder in der puristischen Dunkelheit einer Autechre-Beschallung. Auch die Alien-Musik des Gospel-, Soul- und R’n’B -Zerstäubers Dawuna oder des Black Techno-Acts Speaker Music (DeForrest Brown, Jr.), die radikal queeren Bildfindungen von Johanna Bruckner oder die Parallelisierung von Roboteraufständen und historischen Riots in Südlondon 1981 in einem Video von Kibwe Tavares machen diesbezügliche Vorschläge. 

Candice Breitz: Whiteface_Installation
Candice Breitz: Whiteface Installation © Museum Folkwang NOBER

Community of Aliens sucht nach einer „Gemeinschaft der Ungewählten“ (Sabine Hark), nach planetarischen Allianzen, die der Renaissance von imperialer Gewalt und den neuen politischen Unversöhnlichkeiten etwas entgegensetzen können. Dabei geht es auch um das, was solche zukunftsorientierten Verbindungen verhindern will: In der Kunsthalle Krems bearbeitet Candice Breitz in der Videoinstallation Whiteface auf satirische Weise die Behauptung eines Rassismus gegen Weiße, in dem sie wie eine Bauchrednerpuppe die Diskurse über „Weißsein“ Revue passieren lässt. Die wie tot wirkenden Augen der Künstlerin platzieren die Fiktionen, die die weiße Vorherrschaft legitimieren und aufrechterhalten, mitten im Horrorgenre. Christian Guerematchis Geisterfigur namens Blaq Tito erinnert hingegen an die Politik der blockfreien Staaten. Seine Videoinstallation wirkt wie ein Echo der Beziehung zwischen Ex-Jugoslawien und Ghana und illustriert das, was Frédéric Neyrat den „Communism of the Strange“ genannt hat. Julian Hetzel & Ntando Cele spekulieren über eine Absurdität namens „flüssige Empathie“ in Form eines aus Tränen gewonnenen Drinks. Eglė Budvytytė & Marija Olšauskaitė zeigen alienhafte Körper, die „ihre Angst kompostieren“. Die Medienguerilla Total Refusal schmuggelt ihre Botschaft über den faschistoiden Sturm auf das Kapitol in ein Videospiel, während ein furios-brachiales Hip-Hop-Trio wie Clipping. die Brutalisierung der Verhältnisse mit ihren eigenen Mittel schlägt.

Julian Hetzel-Ntando Cele_SPAfrica_
SPAfrica: Studio Julian Hetzel and Ntando Cele © Anouk Maupu

Schon am Eröffnungstag des donaufestivals 2024, der mit The Jesus And Mary Chain auch süßesten Feedbacklärm nach Krems bringen wird, versuchen die syrisch-ukrainische Bildkünstlerin Diana Azzuz und die iranische Künstlerin Nazanin Noori mit der harschen AV-Arbeit Rybachka, die schleichende Gewöhnung an Kriege und an eine mehr und mehr zur Normalität werdende Politik der Gewalt aufzubrechen. Der in Berlin lebende Musiker Andrey Guryanov widmet sich am zweiten Wochenende einer Dekonstruktion sowjetischer und russischer Nationalhymnen, die sich unter anderem aus den Geräuschen der Explosionen in der überfallenen Ukraine speist. Galya Bisengalieva verarbeitet auf ihrem neuen Album Polygon den gespenstischen Nachhall hunderter Atombombenversuche in einem bis heute verseuchten Gelände in ihrer Heimat Kasachstan, während Mayssa Jallad in ihren berückenden Songs an die Geschichte Beiruts erinnert und das Solistenensemble Kaleidoskop & Anika sich in eine intime Neuvertonung des legendären Nico-Albums Desertshore vertieft. 

Jemanden finden an der Küste einer Wüste: Nicht zuletzt ermutigt die Frage nach der Community of Aliens dazu, das Nein zu Ausgrenzung und Abwertung anderer mit dem Anders-Sein der anderen in Verbindung treten zu lassen. Am Festival. Vor den Bühnen, beim Tanzen, im Gespräch. Bertolt Brecht, der Erfinder des antiillusionistischen Verfremdungseffekts im Theater, dichtete einmal: „Denn alle Kreatur braucht Hilf von allen.“ (Thomas Edlinger)

Alle Details auf: www.donaufestival.at

PO Paris Credit Sophie Garcia
PO Paris © Sophie Garcia

WOCHENENDE 1 

SOUND:
19. April: 
Mariana Berezovska presents Rybachka with Diana Azzuz (Video) & Nazanin Noori (Live) / Maria Chavez, Mariam Rezaei, Victoria Shen / EAERES / The Jesus And Mary Chain / Deena Abdelwahed (AV Live) / Meuko! Meuko!

20. April: Grand River / Dawuna / Jenny Hval – I Want To Be A Machine / Gazelle Twin / Clipping. / Föllakzoid / Aunty Rayzor

21. April: The Necks / Mayssa Jallad / Solistenensemble Kaleidoskop & Anika present Nico: Desertshore

Jenny Hval – I Want To Be A Machine.  Jenny Berger Myhre
Jenny Hval – I Want To Be A Machine © Jenny Berger Myhre

PERFORMANCE:
– Sylvia Eckermann und Gerald Nestler: Like a Ray in Search of its Mirror (Performance: 19.04.; Installation: 20.04. und 21.04.)
– Eve Stainton: Impact Driver (19.-21.04.)
– Eglė Budvytytė und Marija Olšauskaitė: Song Sing Soil (19.-21.04.)
– Jefta van Dinther: Unearth (20.+21.04.)

THEORY & TALK:
– Stefan Moos: East of Representation, Lecture (DE)(20.04.) 
– Candice Breitz: Some of My Best Friends are White, Lecture (EN) (21.04.)

FILM:
Se ti sabir, R: James Bridle / The Exiles, R: Kent Mackenzie (20.04.)
Anhell69, R: Theo Montoya (21.04.)

Alle Details auf: www.donaufestival.at

33EMYBW by Sun Zhongjia
33EMYBW by Sun Zhongjia

WOCHENENDE 2

SOUND:
26. April: Speaker Music (DeForrest Brown, Jr.) / Kenji Araki / SØS Gunver Ryberg & Sybil Montet present Weaving Fields (AV Live) / NAH / Ben Frost Scope Neglect ft. Greg Kubacki & Tarik Barri / 33EMYBW & Joey Holder (AV Live) / Evian Christ

27. April: Andrey Guryanov / Galya Bisengalieva / Maya Shenfeld + Pedro Maia / ZULI & Omar El Sadek / Autechre / Kabeaushé / PÖ

28. April: Joe Rainey / HUUUM / Dopplereffekt

PERFORMANCE:
– Sylvia Eckermann und Gerald Nestler: Like a Ray in Search of its Mirror (Installation: 26.04. bis 28.04.)
– Studio Julian Hetzel und Ntando Cele: SPAfrica (26.04. bis 28.04.)
– Joshua Serafin: VOID (26.04. bis 28.04.)
– Total Refusal: Sons and True Sons (27.04. und 28.04.)

THEORY & TALK:
– DeForrest Brown, Jr.: Spaceship Earth 2.0, Lecture (EN) (27.04.)

FILM:
– SPK Komplex, R: Gerd Kroske (28.04.)

Anhell69 - Regie: Theo Montoya  Film - At the donaufestival in the Kino im Kesselhaus
Filmstill. Anhell69 – Regie: Theo Montoya Film – At the donaufestival in the Kino im Kesselhaus

WOCHENENDE 1 und WOCHENENDE 2

Permanente Kunstprojekte und Installationen
– Candice Breitz: Whiteface (2022)
– Jonáš Gruska: Zvon [Glocke] (2024)
– Christian Guerematchi: CRNI TITO (Blaq Tito Addressing the Parliament of Ghosts) (2023)
– Theaster Gates: The Flood (2023)
– Johanna Bruckner: Body Obfuscations (2023)
– Yein Lee: The Rate of Regenerating in Decay Process (2022)
– Kibwe Tavares: Robots Of Brixton (2011)

donaufestival 2024
19.–21.04. sowie 26.–28.04.2024 | Krems an der Donau

Veranstaltungsorte: Festivalzentren: Messehallen und Stadtsaal, Utzstraße 12; Klangraum Krems Minoritenkirche, Minoritenplatz 5; Außerdem: Kunsthalle Krems, Forum Frohner, Kino im Kesselhaus, Dominikanerkirche

Es wird wieder ein Bustransfer nach Wien jeweils nach Ende des letzten Konzerts angeboten.

Alle Details auf: www.donaufestival.at


Hinweise: Das Programm der beiden Sonntage endet nach drei Highlight-Konzerten in der Minoritenkirche (kein Programm am Messegelände). Tagsüber gibt es wie gewohnt Talks, Film- und Performanceprogramm. Die Tages- bzw. Mehrtagestickets gelten für alle Veranstaltungen der jeweiligen Tage. Bei manchen Performances werden aufgrund beschränkter Kapazitäten kostenlose Zählkarten vergeben.

ernst lima ausstellung

In ihren aktuellen Arbeiten beschäftigt sich Ernst Lima mit der Digitalisierung des analogen Bildes und den Schnittstellen zwischen physischer Bearbeitung, durch Berührung des Bildträgers und deren Entfremdung durch die digitale Oberfläche.