
Was ist das zentrale Thema des Festivals in diesem Jahr?
Da in den unterschiedlichen Abteilungen der Angewandten an einer Vielzahl von Themen gearbeitet wird – und wir mit dem Festival genau diese Vielfalt sichtbar machen wollen – gibt es kein übergeordnetes Leitthema. In den Ausstellungen werden künstlerische, gestalterische und forschende Prozesse gezeigt, die häufig auf Veränderung abzielen und aktiv in gesellschaftliche Diskurse eingreifen. Es sind Themen, die uns und insbesondere die Studierenden bewegen – sie können individuell sein, aber auch große, komplexe Fragen aufwerfen.
Die temporären Denkmäler von Monuments of the Future, unserer diesjährigen Platzgestaltung, richten sich an uns als Gesellschaft und fragen: „Ist das die Welt, die wir wollen? Was müssen wir heute verändern, um andere Zukünfte möglich zu machen?“
Auch die jährlich wechselnde Festivalgrafik – heuer entwickelt von Studierenden der Abteilung Kommunikationsdesign – gibt inhaltliche Impulse. Die analogen Abdrücke sollen Neugier wecken auf das, was beim Festival zu sehen ist, und gleichzeitig darauf hinweisen, dass „hinter den Kulissen“ bis zur letzten Minute gearbeitet wird.

Am Oskar-Kokoschka-Platz steht wieder eine großformatige Installation: Monuments of the Future. Welche Rolle kann Design dabei spielen, ökologische Krisen nicht nur sichtbar zu machen, sondern aktiv zu lösen?
Die Größe der Objekte war für uns heuer tatsächlich ein zentrales Thema. Wer schon einmal im öffentlichen Raum geplant hat, kennt die Herausforderungen. Gleichzeitig bin ich ein großer Fan der Wiener Magistrate, die sich tagtäglich um das Gemeinwohl kümmern und dabei wirklich gute Arbeit leisten. Für die Designer:innen war es wesentlich, dass die Monuments of the Future monumental wirken – sie wollen etwas. Als spekulative Denkmäler einer möglichen Zukunft machen sie die Dringlichkeiten unserer Gegenwart sichtbar. Sie appellieren – kritisch und humorvoll zugleich – an unsere gemeinsame Verantwortung. Zukunft ist kein abstraktes Konzept, sie entsteht durch unser tägliches Handeln.
Große Entscheidungen brauchen vielleicht auch große Monumente!?
Das meiste Material der Installation stammt von einem Ausstellungsabbau im MAK und wurde wiederverwendet. Der Beluga-Stör, eines der Denkmäler, wandert nach dem Festival ins Stör-Zentrum auf der Donauinsel.

Was würdest du Besucher:innen empfehlen, um das Festival in seiner ganzen Vielfalt zu erleben?
Das Schöne am Angewandte Festival ist, dass es auf ganz unterschiedliche Arten erlebt werden kann. Man kann sich einfach treiben lassen – ich empfehle unbedingt auch den Besuch des Gebäudes am Georg-Coch-Platz, der ehemaligen Postsparkasse von Otto Wagner. Und am Donnerstag lohnt es sich, den Paulusplatz aufzusuchen, wo die dort beheimateten Abteilungen jedes Jahr den „Paulusplatztag“ veranstalten. Wer lieber plant, findet im Festivalguide alle Ausstellungstexte, Programmbeschreibungen und einen Timetable, um gezielt Schwerpunkte für den Besuch zu setzen: Abschlussarbeiten, Performances, Musik, Diskursformate – für alle ist etwas dabei. Uns ist aber auch wichtig, Menschen anzusprechen, die lieber geführt werden. Deshalb gibt es wieder ein vielschichtiges Vermittlungs- und Führungsprogramm, inklusive barrierefreier Formate.

Gibt es heuer neue Formate oder Ausstellungsflächen?
Wir denken das Festival jedes Jahr neu – weil sich auch die Universität ständig verändert. Studierende kommen und gehen, neue Einflüsse prägen das Festival. Gleichzeitig haben sich einige Formate etabliert, wie etwa das Animationsfilm-Screening, die Sprachkunst-Abschlusslesungen oder eben der Paulusplatztag. Gerade im Bereich der Vermittlung – wobei ich persönlich den Begriff nicht besonders mag – entwickeln wir laufend neue Ansätze.
Heuer haben Studierende im Rahmen der Lehrveranstaltung Beyond the Tour, die ich in der Abteilung Expanded Museum Studies leiten durfte, experimentelle Führungsformate entwickelt, die klassische Ausstellungstouren durch neue Austauschformen erweitern – humorvoll, inklusiv, exklusiv, experimentell.
Bei der Führung POV (Point of View) beispielsweise beschreiben Besucher:innen, was sie sehen. Menschen mit vollem, eingeschränktem oder keinem Sehvermögen tauschen sich darüber aus – auch darüber, was Bildbeschreibungen durch KI leisten können und wo sie scheitern.
Eine andere Führung verknüpft Kunstwerke mit dem Geschmackssinn – ein anderer, sehr persönlicher Zugang zur Frage, was uns gefällt oder eben „schmeckt“. Diese Vielfalt des Sehens ist zentral, wenn wir über Zugänglichkeit von Kunst sprechen. In diesem Zusammenhang denke ich oft an John Bergers Buch und Videoserie Ways of Seeing – ein wichtiger Impulsgeber bei der Entwicklung unserer Vermittlungsformate.

Wie kann Design zum Vermittler zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und gesellschaftlichem Handeln werden?
Am ehesten durch das Angebot eigener Erfahrung. Wir reduzieren uns nicht auf Theorien, sondern übersetzen Ideen in räumliche Formate, die erfahrbar sind. Design – ähnlich wie Architektur – kann das leisten. Und das „Angewandte“ ist dabei das entscheidende Moment, um Visionen greifbar zu machen.
Seit wann arbeitet ihr am diesjährigen Festival? Wie groß ist das Team dahinter?
Ich bin an der Angewandten für die Konzeption der gesamtuniversitären Outreach-Formate zuständig, darunter auch Open House – mit dem wir zukünftige Studierende direkt ansprechen, besonders auch Schüler:innen. Dabei ist es uns wichtig, alle Schulen zu erreichen, auch abseits der kunstnahen Schulen.
Das Festival richtet sich an ein breites Publikum – und ich sehe tatsächlich die gesamte Angewandte als Team. Nahezu alle Bereiche sind involviert: das Facility Management, das Räume leert, reinigt und sich um Sicherheit kümmert, die Abteilungen, Lehrenden, die Universitätsleitung, die Finanzabteilung, Presse und Kommunikation, das Aufbauteam – und natürlich die Studierenden, um deren Arbeiten es letztlich geht. Es funktioniert nur gemeinsam.

Was sind die besonderen Herausforderungen in der kuratorischen Umsetzung?
Die größte Herausforderung liegt darin, die Pluralität der Angewandten sichtbar zu machen – verbindende Linien zu finden, ohne die Individualität der Beiträge zu verlieren. Die Angewandte ist ein Bienenschwarm – ich versuche, ihn mit dem Festival zusammenzuhalten und zugleich ausschwärmen zu lassen. Dabei werde ich jedes Jahr aufs Neue überrascht – und ich mag Überraschungen. Im Zuge der Vorbereitungen ist mir wieder die ursprüngliche Bedeutung des lateinischen curare eingefallen: „pflegen“, „sich kümmern“. Genau das spürt man beim Festival – wenn man so will, kuratieren wir es alle gemeinsam.
Welche Diskussionen wollt ihr mit dem Festival anstoßen?
Wenn wir auf die Welt schauen, stellt sich die Frage: Was feiern wir hier eigentlich? Die aktuellen Zustände lassen niemanden unberührt. Die Monuments of the Future geben uns dabei einen wichtigen Anstoß: nicht auf Zukunft zu verzichten, sondern diese zu gestalten. Das Festival lädt ein zum offenen Austausch und schafft Räume für neue Gedanken. Mit der Sperre des Oskar-Kokoschka-Platzes für den Individualverkehr transformieren wir Straße zum Platz – und zeigen einmal mehr, wie wichtig Plätze für eine Stadt sind – als Freiräume, als Ruhezonen, als konsumfreie Orte, die nicht auf Durchzug geschaltet sind.
Angewandte Festival 2025 – www.angewandtefestvial.at
Ausstellungen. Der Großteil der Ausstellungen kann in den zentralen Uni-Gebäuden rund um den Oskar-Kokoschka-Platz täglich von 11:00 bis 21:00 Uhr besucht werden. Zur Orientierung in den Gebäuden gibt es vor Ort gedruckte Festivalguides, die beim Infopoint am Oskar-Kokoschka-Platz gratis ausgegeben werden.
Weitere Ausstellungen können in Exposituren der Angewandten oder an externen Standorten in verschiedenen Wiener Bezirken besucht werden.
– Expositur Paulusplatz: Paulusplatz 5, 1030 Wien (Abschlussarbeiten der Abteilung Skulptur und Raum und der Abteilung Ortsbezogene Kunst)
– Universitätsgalerie der Angewandten im Heiligenkreuzerhof: Schönlaterngasse 5, Stiege 7, EG, 1010 Wien
Der Großteil der Abschlussarbeiten wird im Rahmen des Festivals in den Uni-Gebäuden ausgestellt. Im Anschluss an das Festival können auch die Abschlussarbeiten des Sommersemesters unter aaa.dieangewandte.at abgerufen werden. Die Website präsentiert die Abschlussarbeiten aller Abteilungen der Angewandten und wächst mit jedem Semester.