“Universitätslehrgang
   
Wien Theater

Interview. Jakob Leanda Wernisch

Jakob Leanda Wernisch studiert im dritten Jahr Schauspielregie am Max Reinhardt Seminar und war als Schauspieler sowie Assistent an zahlreichen Projekten beteiligt. Im Oktober 2025 wird seine Diplominszenierung auf der Neuen Studiobühne gezeigt.
BENT BOYS BOI BAND, Berndette Leopold & Leonie Pum © Luki Stüwe
BENT BOYS BOI BAND, Berndette Leopold & Leonie Pum. Foto: Luki Stüwe

Gibt es eine persönliche Erfahrung, die du in die Figuren und die Dynamik der Gruppe hast einfließen lassen?
Für mich sind Regiearbeiten oft ein Forschungsprozess, bei dem ich gemeinsam mit den Spieler:innen versuche, verborgene Motive und Verhaltensweisen zu ergründen. 4o mini

Freundschaften – wie wichtig ist für dich der Austausch mit anderen?
Es geht nicht ohne. Meine beiden Freund:innen Luis und Alex haben großzügig zur Entwicklung des Stücks beigetragen.

Du greifst in deinem Stück Ansätze von Judith Butler und Sarah Schulman auf. Gibt es eine Theorie aus deren Arbeiten, die dir besonders am Herzen liegt?
In „Frames of War: When Is Life Grievable“ beschreibt Judith Butler, wie unsere Gesellschaft Fortschritt und Freiheit in ihrem Sinne definiert und wie damit die Grundlage für Unterdrückung und darüber hinaus Krieg geschaffen wird. Dieser Text war für mich eine wertvolle Erkenntnis.

BENT BOYS BOI BAND, Simon Schofeld & Kaspar Maier. Foto: Luki Stüwe
BENT BOYS BOI BAND, Simon Schofeld & Kaspar Maier. Foto: Luki Stüwe

Was ist dir beim Casting von Schauspieler:innen wichtig?
Da ich weiß, dass sie sich mühelos in die Rolle hineinversetzen können, möchte ich Spieler:innen dazu ermutigen, mit voller Sicherheit und Überzeugung einen unvergesslichen Abend zu gestalten.

Wie verbringst du deine Freizeit? Hast du Hobbys, die dir helfen, neue Ideen zu finden?
Ich habe mittlerweile zu viele meiner Hobbys professionalisiert. Für mich ist der Ausgleich aber durch Zeichnen und Malen gut möglich. Auf Ideen komme ich meistens – ich weiß, es ist ein Klischee – beim Spazierengehen, am besten mit sehr lauter Musik. Das ist mein Sensory Deprivation Tank.

Be careful what you wish for, wenn es um „Mach dein Hobby zum Beruf“ geht.

Welche Bücher hast du zuletzt gelesen?
Für diese Produktion habe ich immer wieder in „Doktor Faustus“ von Thomas Mann und in Texten von Hegel gelesen. Jetzt ist es wohl Zeit für etwas leichtere Lektüre. Sehr viel Freude hatte ich mit Saša Stanišićs neuem Erzählungsband „Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne“.

Was bedeutet für dich „Erfolg“ in der Kunst? Siehst du das als etwas, das von der Reaktion des Publikums abhängt, oder ist es eher eine innere Zufriedenheit?
Ein Anliegen dieser Arbeit war es, Zugänge für ein junges Publikum zu schaffen, das selten ins Theater geht, und dabei seine Sehgewohnheiten zu berücksichtigen.Die Boy Band als Ausgangspunkt habe ich deshalb gewählt. Es war ein persönlicher Erfolg, bei der Premiere von vielen in meinem Alter zu hören, dass sie sich für die Arbeit begeistern konnten.

Jakob Leanda Wernisch – www.maxreinhardtseminar.at, www.instagram.com/jakob_leanda/


Jakob Leanda Wernisch (2002 geboren in Wien) studiert im dritten Jahrgang Schauspielregie am Max Reinhardt Seminar, wo er sich als Schauspieler oder Assistent an zahlreichen Projekten beteiligte. Zuletzt spielte er in Lukas Schöppls Diplominszenierung „Der Hofmeister“. In seinen bisherigen Regiearbeiten spielte das Collagieren bestehender Texte und das Entwickeln eigener Versatzstücke immer wieder eine Rolle. Seine nächsten Regiearbeiten werden bei „Neue Perspektiven auf Salieri“ im Schlosstheater Schönbrunn und im Zuge des isa-Festivals der mdw zu sehen sein. Im Oktober 2025 wird seine Diplominszenierung auf der Neuen Studiobühne gezeigt.

Foto © Julia Dragosits
Jakob Leanda Wernisch. Foto: Julia Dragosits

BENT BOYS BOI BAND
Einige Jahre nachdem die erfolgreiche Boy Band „Deine Feste Freund Erfahrung“ aufgelöst wurde, bemüht sich ihre ehemalige Agentin Hecke um eine Reunion Tour. Paul, der in Hoffnung auf eine Solokarriere als erster die Band verlassen hat, ist in der Zwischenzeit verstorben, und so treffen die verbleibenden Mitglieder Jannis, Timon, Mickel und Veilchen auf Einladung von Hecke eines Abends in ihrem Anwesen ein. Nicht in die Pläne einer weiteren Tournee eingeweiht, will Jannis die Gelegenheit nutzen, um dem Rest der Band endlich ihre Schuld entgegenzustellen. In ständigem Dialog mit den Erinnerungen an die Jahre des Erfolgs begegnen die Figuren einander wieder und versuchen trotz Jannis‘ Widerstand, ihre Träume an eine Rückkehr durchzusetzen. Mit seinem ersten Theatertext beschreibt Jakob Leanda Wernisch Figuren, die in Beschäftigung mit ihrem eigenen Leid den Blick von der Außenwelt abwenden und so Teil eines Systems der Unterdrückung werden. Inspiriert von Philosoph*innen wie Judith Butler und Sarah Schulman bietet das Ensemble Einblick in durch Angst bestimmte Denkmuster wie Homonationalismus.