
Wie würdest du deine Arbeit beschreiben und welchen Ansatz verfolgst du?
In meiner Praxis erforsche ich das Zusammenspiel von Materialität, Prozess und Zeitlichkeit. Unter Rückgriff auf traditionelle Techniken der Bildhauerei und Phänomene aus der Natur arbeite ich mit Materialien wie Sand, Gips, Bronze und Wachs und z. B. Pilzmyzel, um die Spannung zwischen Präsenz und Abwesenheit, Fragilität und Widerstandsfähigkeit sowie Sichtbarem und Verborgenem zu untersuchen. Meine Skulpturen zeigen oft Spuren der Verwandlung – sowohl absichtlich als auch zufällig – und laden zu einer erhöhten Sensibilität für die Kräfte ein, die unsere Umgebung und unsere Körper formen.
Wie sieht dein Arbeitsprozess aus? Welche Schritte sind notwendig, um an das gewünschte Ergebnis zu kommen?
Oft gehe ich von den Gegebenheiten des Raumes aus und es entstehen erste Skizzen. Es gibt ein Konzept und vieles entsteht dann vor Ort während des Aufbaus, wie zum Beispiel in dieser Ausstellung „Atlas to Time“, und am Ende der Laufzeit wird es auch wieder zerstört.
Wie hat die Kunstgießerei Loderer dich und deine Arbeit geprägt?
Ich bin in einem männerdominierten, ländlichen Handwerksbetrieb aufgewachsen. Dass dort auch Kunst für Künstler:innen gegossen wird, war nicht von Anfang an klar, sondern hat sich mit der Zeit ergeben. Alles Mögliche wurde dort aus Metall angefertigt. Erst später in den 90ern und 2000ern wurden immer mehr Künstler und ein paar Künstlerinnen in den Fokus gestellt. Es hat mich dazu gebracht, selbst Ideen zu entwickeln und Lösungen für ihre Umsetzung zu finden. Ein Material „Know How“ in diesem familiären Generationenbetrieb zu erlernen und umgeben von einem netten und furchtlosen Team aus Mitarbeitern, setzte bestimmt den Grundstein für meine Arbeit.

Kannst du über deine kommende Ausstellung „Atlas to Time“ in der Kunsthalle Feldbach erzählen?
Die Ausstellung „Atlas to Time“ in der Kunsthalle Feldbach widmet sich Beobachtungen der Natur, die für mich zugleich erschöpferisch und zerstörerisch ist, sodass die materiellen Aspekte meiner Arbeiten im Bereich der Dekonstruktion und Regeneration liegen. In meinen Werken konstruiere ich ein Formenlexikon, das unsichtbare Transformationen, aufgeschobenes Verschwinden und die stille Beständigkeit von Materie registriert. Die Skulpturen, die zu sehen sein werden, sind Rückstände und Reliquien von Berührung, Druck, Zufall und Zusammenarbeit – Skulpturen, die sich an das erinnern, was sie geformt hat.
Was werden wir dort sehen?
Es wird eine großzügige raumspezifische Installation zu sehen sein, die Zufall und Improvisation verankert und ihr unvorhergesehenes Ergebnis in einer Kunst im Stillen auf einen tieferen Sinn des Daseins verweist.

Wie hat sich die Region im Laufe der Zeit verändert und was macht sie so besonders?
Ich bin, bis ich 18 Jahre alt war, in Feldbach ins Gymnasium gegangen, bis es mich schließlich in die Weiten der Welt getragen hat. Somit kenne ich das lokale Landleben sehr gut, aber auch die Perspektive der Künstler:innen-Szene, die sich dort in den 1970er- und 1980er-Jahren angesiedelt hat. Jedoch konnte ich nicht alle persönlich kennenlernen (Walter Pichler, Ingrid Wiener, Elfi Semotan, Mischi und Peter Pakesch, Peter Kogler … um nur ein paar zu nennen). Soweit ich es verorten kann, war die Region der Südoststeiermark über lange Zeit am Rande des Eisernen Vorhangs nicht eine der attraktivsten Gegenden Österreichs. Flache, landwirtschaftlich geprägte Landschaften und eher unbeachtete Gegenden wurden spätestens seit der Corona-Pandemie als Potenzial erkannt – ein einst günstiger Hof verdreifachte sich im Preis. Aber schon viel früher, in den 1970er- und 1980er-Jahren, hatte sich eine Kunstszene dort angesiedelt, konnte den stillen Raum für ihre Ideen nutzen und kaufte sich Landhäuser. Parallel dazu konnte sich die Region in den letzten 25 Jahren auch wirtschaftlich als „Vulkanland“ mehr und mehr etablieren. Die Einwohner identifizierten sich zunehmend mit ihrer Region, wurden selbst kreativ gefordert. Schöne, idyllische Orte und einfallsreiche kulinarische Produkte haben sich entwickelt – sie führten zu einem sanften Tourismus und zu einem Denken in Richtung Nachhaltigkeit, das jede:r gerne genießt, wenn er oder sie in die Gegend findet.
Welchen Stellenwert hat das HochSommer Festival für dich?
Ich finde es schön, dass dieser ländliche Raum aus eigener Kraft an Visibilität gewinnt und man Einblicke in eine Region bekommt, die Offenheit und Neugier mit sich bringt sowie neue, kreative und grenzüberschreitende (bis nach Slowenien reichende) Diskurse öffnet. Ich finde, die Region ist ein tolles Vorzeigemodell dafür, wie alte ländliche Strukturen flexibel bleiben und homogen mit andersdenkenden Welten nebeneinander bestehen oder gar verschmelzen können.
Generell bevorzuge ich als Künstlerin auch den Rückzug aufs Land und genieße den Alltag mit Freunden und Familie in der Natur – abseits vom Kunstgeschehen. Das Gute ist: Beides ist möglich!
Ausstellung: Angelika Loderer – Atlas to Time in Feldbach
Dauer der Ausstellung: 01. August 2025 – 10. August 2025
Veranstaltungsort: Kunsthalle Feldbach, Sigmund-Freud-Platz 1, 8330 Feldbach
Angelika Loderer – www.instagram.com/angelikaloderer/
HochSommer Festival – www.hochsommer.art
Angelika Loderer. Geboren 1984 in Feldbach, Steiermark. 2006–11 Studium der Bildhauerei an der Universität für angewandte Kunst Wien. Studienaufenthalte am Hendrix College, Arkansas (2005–06) und am Wimbledon College of Arts, London (2009).
Einzelausstellungen (Auswahl): City Body bei SOPHIE TAPPEINER, Wien (2025); Soil Fictions im Belvedere 21, Wien (2024); Phantoms bei CFA, Berlin (2023); Marshlands bei SOPHIE TAPPEINER, Wien (2022); Night Pieces bei SOPHIE TAPPEINER, Wien (2020); Pretend to be Fine, Kunstfenster Gnas, Gnas (2019); Poems to Gadgets im Grazer Kunstverein, Graz (2018); Quiet Fonts bei SOPHIE TAPPEINER, Wien (AT); Angelika Loderer in der Secession, Wien (2017); Animate im Salzburger Kunstverein, Salzburg (2016); Coming in Pieces im Dortmunder Kunstverein, Dortmund (2015).
In jüngster Zeit wurden ihre Arbeiten in Gruppenausstellungen im Museum der Moderne, Salzburg, Thaddaeus Ropac, Paris, ALBERTINA MODERN, Wien (2024); Kunsthalle Bratislava, Contemporary Fine Arts, Berlin (2023); Sammlung Heidi Horton, Belvedere 21, Neuer Wiener Kunstverein, Wien (2022); New Museum, New York City (2021) gezeigt.
Ihre Arbeiten sind unter anderem in den Sammlungen der Albertina, des Belvedere 21, des Kunsthauses Bregenz, der Landesgalerie Linz, des Lentos, des MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst, des Museums der Moderne Salzburg, des Universalmuseums Joanneum und der EVN vertreten.
Preisträgerin vom Dagmar Chobot Skulpturenpreis (2016) und Kardinal König Kunstpreis (2019).