
Im Juli eröffnet Anke Eilergerhard in der Eboran Galerie ihre Ausstellung ÜBERZUCKERT. Bis zur Finissage im August lädt sie Besucher:innen in Salzburg dazu ein, in ihre sinnliche und spielerische Welt einzutauchen.
Am 18. Juli 2025 ist die Vernissage deiner Ausstellung ÜBERZUCKERT in der Eboran Galerie. Was können die Besucher:innen in Salzburg sehen? Was erwartet sie dort?
Ein Blick ins Paradies. Gezeigt werden Skulpturen und Fotografien, die sich konzeptuell mit dem Thema auseinandersetzen, sowohl in aktuellen als auch in retrospektiven Positionen. Auf den ersten Blick wirken die Arbeiten verführerisch süß und überzuckert anmutend. Mit dem Begriff „Überzuckert“ beziehe ich mich jedoch nicht auf ein Übermaß an Zucker, sondern auf die hochgradig assoziative Oberfläche meiner Skulpturen. Entstanden durch die präzise Ausführung von tausenden sorgfältig und manuell gesetzten „Sahnehauben“ aus Polyorganosiloxan (Silikon).

Diese formale und inhaltliche Verdichtung findet in der barocken Architektur Salzburgs einen idealen Resonanzraum und zugleich in der reduzierten Klarheit des Ausstellungsraums der Eboran Galerie ein wirkungsvolles Gegengewicht. Gerade dieses Zusammenspiel von Dualismen ist programmatisch für meine künstlerische Haltung, die ich als „puristisch barock“ bezeichne, ein scheinbares Paradox, das sich in meiner Arbeit zu einem stimmigen ästhetischen Konzept verdichtet – eine kongeniale Verbindung.
Ich habe mich sehr über die Einladung gefreut, meine erste Einzelausstellung in Salzburg realisieren zu dürfen, und freue mich nun auf die Eröffnung.
Wie thematisieren die Skulpturen gesellschaftliche Entwicklungen wie Konsumismus und Perfektionsstreben?
Meine Beobachtungen und Erfahrungen bilden stets die Grundlage meiner Arbeiten. Unsere Gesellschaft ist stark auf das Visuelle ausgerichtet – dadurch verlieren wir meiner Meinung nach zunehmend unsere Orientierung. Ich möchte Dinge sichtbar machen, die sich nicht in Worte fassen lassen und dennoch universell sind.
Menschliche Empfindungen wie Sehnsucht, Begehren, Lust, Leidenschaft, Angst sowie Zeitlichkeit und Balance stehen im Zentrum meines Interesses.


Ich will das Bewusstsein für die Fragilität unseres Daseins schärfen. Zudem reizt mich die Vereinigung von scheinbar Unvereinbarem, die sich in meinen Werken auf vielfältige Weise manifestiert.
In deinen Arbeiten kommen häufig Formen von „Torten“ und „Schlagsahne“ vor. Kannst du näher darauf eingehen und uns erzählen, wie du ursprünglich dazu gekommen bist, mit dieser Form zu arbeiten?
Meine Großmütter haben mich, als ich noch ein Kind war, oft ins Kaffeehaus mitgenommen. Dort habe ich nicht nur die Blumentapeten und die faszinierende Form- und Farbigkeit der, wie auf einer Bühne beleuchteten, Torten in den Vitrinen bestaunt, sondern auch die kurze Seligkeit meiner Großmütter genossen. Vermutlich hat sich hier schon früh eine Form-, Farben- und Emotionspalette manifestiert.
Im Gras liegen, Wolken beobachten und Süßes essen – das ist die Art idealisierter Kindheitserinnerung, die meine Werke zunächst hervorrufen und damit die durch das Glückshormon Dopamin verstellte Wahrnehmung des Betrachters täuschen.

Denn die süße Lust auf die Nachspeise beweist überzeugend, dass die Menschen zeitlebens Brustkinder bleiben. Die Sahnecrème ist nur ein Ersatz für den warmen, nicht enden wollenden süßen Milchstrom, der ihnen einst das Leben nicht nur versüßte, sondern schenkte und garantierte. Er tötet das kalte, beißende, unangenehme Gefühl im Bauch, das man erst später als Hunger zu definieren wusste. Das Hungergefühl ist wohl die erste Pein des Neugeborenen und konfrontiert es bitter mit der neuen Realität. Denn der Mutterleib, gleichsam das Paradies, verschonte das ungeborene Leben mit derlei weltlichem Verlangen.
Ich bin bekannt für meine einzigartigen, tortenähnlichen und farbintensiven Skulpturen, die durch ihre scheinbare Süße und Zartheit verführen und zugleich eine komplexe Spannung zwischen Opulenz und Reduktion erzeugen. Eine Strategie zwischen Überfluss und formaler Strenge, die ich als eine Art „puristischen Barock“ beschreiben würde. Diese Werke oszillieren zwischen barocker Fülle und klarer, fast asketischer Struktur, wodurch sie eine visuelle und konzeptionelle Dichte bieten.

Mit welchen Materialien arbeitest du? Wie sehr spielen Haltbarkeit für dich eine Rolle?
Ich stelle stets drei zentrale Fragen an meine künstlerische Arbeit: Ist sie autonom? Ist sie ausdrucksstark? Ist sie einzigartig? Die Frage der Haltbarkeit hat mich dabei nur insoweit beschäftigt, als mein bevorzugtes Material, das Silikon, zweifellos beständiger ist als eine echte Sahnehaube. In einer Welt, die von Beschleunigung und Kurzlebigkeit geprägt ist, erscheint mir die Diskussion um Materialdauer beinahe anachronistisch. Sammler:innen profitieren davon, dass ich mit einem industriell genutzten Silikon arbeite, das außergewöhnliche Langlebigkeit sowie eine Farbtiefe und -stabilität aufweist. Dieses Material ist widerstandsfähig, langzeitbeständig, UV-beständig und absolut farbecht. Gerade das macht den besonderen Reiz meiner Praxis aus: Mit einem an sich ephemeren Motiv – der „Sahnehaube“ – gelingt es mir, Werke zu schaffen, die fragil und zart anmuten, in Wirklichkeit jedoch eine bemerkenswerte physische Beständigkeit aufweisen.
Und welches Kunstwerk ließe sich sonst wohl unbeschadet mit unter die Dusche oder gar durch eine Autowaschanlage nehmen?

Der Farbaspekt ist in deiner Arbeit ebenso wichtig wie die Form. Wie entscheidest du dich für das Farbschema?
Farben bedeuten für mich weit mehr als bloße Oberfläche – ich liebe sie, ich schmecke sie. Sie sind Ausdruck von Emotion, Stimmung und Intensität. Manche Menschen verfügen über ein so feines Farbempfinden, dass es sich mit dem absoluten Gehör bei Musiker:innen vergleichen lässt. Farbe, Grundform, Oberflächenstruktur und Titel sind für mich gleichwertiges Material. Sie haben im Entstehungsprozess denselben Stellenwert. Aus abstrakten, oft reduzierten Grundformen, wie Kugeln, Halbkugeln und Radien, die gestaffelt werden, sowie der Oberflächenstruktur, der Farbe, die den emotionalen Moment beschreibt, und dem Titel ergibt sich die emotionale Wirkung einer Skulptur. Weder Farbe noch Form stehen an erster Stelle – alles entsteht gleichzeitig.
Was bedeutet das Wort „Kitsch“ für dich persönlich?
„Kitsch“ wird häufig abwertend verwendet, obwohl der Begriff selbst nur vage definiert ist. In meiner Kunst lasse ich mich von solchen Kategorien nicht einschränken. Vorbehalte gegenüber Kitsch habe ich keine – vielmehr transformiere ich ihn.

Gibt es Künstler:innen, die du besonders respektierst und die dich aktuell beeindrucken?
Thomas Schönauer, ein großartiger Künstler und Freund, mit dem ich gerade eine gemeinsame Ausstellung in Übersee plane. Seine zumeist überdimensionalen Werke beeindrucken mich durch handwerkliche Präzision und kreative Vision. Erwin Wurm begeistert mich durch den feinsinnigen Humor, den er in seinen Werken entfaltet, sowie durch seine erfrischend unprätentiöse Haltung zur Kunst. Karla Black schafft beeindruckende, raumgreifende Installationen von großer lyrischer Ausdruckskraft. Mit beiden Künstler:innen habe ich bereits auch in Gruppenausstellungen meine Arbeiten ausgestellt. Nicolas Party schätze ich insbesondere wegen seines radikalen Umgangs mit Farbe und seiner kraftvoll raumgreifenden Installationen. Wolfram Ullrich, dessen wunderbare Werke ein illusionistisches Seherlebnis schaffen. Und last but not least der große Karl Lagerfeld, dessen Universum ich durch die Zusammenarbeit mit FENDI mit meinen ANNAS für eine ganz kurze Zeit streifen durfte.

Deine Arbeiten stoßen international auf großes Interesse. Wie reagieren unterschiedliche Zielgruppen darauf, und hat dich eine Reaktion besonders überrascht?
Es freut mich, dass meine Kunst international große Resonanz erfährt und berührt – ganz gleich auf welche Weise. Das zeigt mir auch, dass die visuelle Sprache meiner Werke über kulturelle und nationale Grenzen hinaus funktioniert. Oft möchten die Leute meine Skulpturen anfassen, manchmal sogar schmecken oder riechen; ich glaube, sie begreifen sie mit allen Sinnen. Es amüsiert mich, dass zumeist männliche Betrachter aufgrund der Präzision der Oberflächenstruktur meiner Skulpturen mit tausenden „Sahnehaubenformen“ überzeugt sind, dass diese nicht von Menschenhand gefertigt sind.

Du hast mit FENDI zusammengearbeitet. Wie siehst du diese Arbeit, wenn sie Teil des Designs eines Luxusmodegeschäfts ist? Steckt bei so einem Projekt auch kommerzielles Denken dahinter? Und wie unterscheiden sich die Arbeiten in diesem Kontext von denen in einer Galerie oder einem Ausstellungsraum?
Die größte Form der Anerkennung finde ich, wenn jemand bereit ist, dafür Geld zu investieren. Alles andere bleibt letztlich wohlmeinende Rhetorik, die Künstler:innen jedoch kaum die nachhaltige Produktion weiterer Werke ermöglicht. Dass sich das Modehaus FENDI zu einer Kooperation mit mir bekannt hat und die von mir geschaffenen Skulpturen adäquat honorierte, empfinde ich in diesem Zusammenhang als besonders wertschätzend. Die Zusammenarbeit war geprägt von Augenhöhe und einem tiefen Respekt für mein Schaffen. Ich führe dies nicht zuletzt auf den damaligen Chefdesigner Karl Lagerfeld zurück. Er ließ sich meine Arbeiten persönlich zeigen, äußerte nicht nur große Begeisterung, sondern ließ sich davon auch inspirieren. Bis zu seinem Tod und sogar darüber hinaus standen vier meiner Kleinskulpturen dauerhaft auf seinem großen Konferenztisch in Paris. Die Zusammenarbeit mit FENDI war eine großartige Herausforderung, künstlerisch und konzeptionell. Ich habe mehrere großformatige Installationen für die Flagship-Stores in Metropolen weltweit wie Tokio, New York, Shanghai, Hongkong, Paris etc. entwickelt. Für mich war es wichtig, dass meine Werke auch in diesem Kontext ihre künstlerische Autonomie behalten. Natürlich ist der Raum anders, ich sehe dies eher als einen neuen, erweiterten Möglichkeitsraum, in dem sich Gegenläufiges und Verwandtes berühren. Ein wunderbarer Dialog zwischen Haute Couture und Kunst.
Ausstellung: ANKE EILERGERHARD – ÜBERZUCKERT
Ausstellungsdauer: 23. Juli – 29. August 2025
Vernissage: Freitag, 18. Juli 2025, 19:00 Uhr
Öffnungszeiten: Mittwoch – Freitag 16 – 19 Uhr
Adresse und Kontakt:
Eboran Galerie
Ignaz-Harrer-Straße 38, 5020 Salzburg
www.eboran-galerie.net
Anke Eilergerhard – www.eilergerhard.de, www.instagram.com/eilergerhard_anke/