Wien Ausstellung

Emma Kling and Leo Lunger

Die Ausstellung „DOG EARS“ von Emma Kling und Leo Lunger entfaltet sich wie ein aufgeschlagenes Buch: Jede Seite folgt ihrer eigenen Logik, berührt die andere aber unvermeidlich. Ein Dialog aus Gesten und Zeichen reagiert, unterbricht oder spiegelt sich. Im Interview erzählen sie, wie es dazu kam. Zu sehen bis 13.  November  2025.
Ausstellungsansicht. Emma Kling & Leo Lunger – DOG EARS. Foto: Courtesy by the artist
Ausstellungsansicht. Emma Kling & Leo Lunger – DOG EARS. Foto: Courtesy of the artist

Wie ist die Idee für die Ausstellung entstanden? Wie hat sich das Konzept weiterentwickelt?
Leo: Emma hat mich gefragt, ob wir eine Ausstellung zusammen machen wollen, und mir gleich eine Gegenüberstellung unserer Arbeiten gezeigt. Sie hat intuitiv Arbeiten von mir ausgewählt, und es war sofort klar, dass es viele Überschneidungen gibt. Trotz formaler Unterschiede bestehen zahlreiche Parallelen, und es war spannend zu sehen, wie die Arbeiten miteinander funktionieren könnten.

Was war der Gedanke hinter dem Titel „Dog Ears“? Wie spiegelt er den Charakter der Ausstellung wider?
Emma: Der Titel „Dog Ears“ bezieht sich auf die umgeknickten Ecken einer Buchseite – also auf etwas, das man sich merken und später noch einmal genauer ansehen möchte. Diese Geste steht für Aufmerksamkeit, Erinnerung und die Bereitschaft, zurückzukehren und langsamer zu lesen. Der Titel spiegelt auch den Ursprung des Projekts wider, das mit einem geteilten Buch begonnen hat. Ich finde, dass sich dieser Gedanke auch im Raum fortsetzt – es gibt Momente, die man erst beim zweiten Rundgang wirklich wahrnimmt, wenn man sich Zeit nimmt und genauer hinschaut.

Emma Kling & Leo Lunger
Emma Kling & Leo Lunger

Im Entstehungsprozess der Ausstellung habt ihr gemeinsam an einem Buch gearbeitet. Welche Erfahrungen habt ihr dabei gemacht?
Leo: Ich hatte die Idee, mit einem Büchlein zu starten, um das Gespräch zu eröffnen. Emma hat ein Büchlein aus verschiedenem Papier gebunden und es mir in die Hand gedrückt. Daraus wurden ein Journal und ein Dialog. Das Thema der „dog ears“ (Eselsohren) im Hinterkopf begann ich zu zeichnen. Wir haben das Buch hin und her getauscht, und es hat sich ein Diskurs entwickelt, der über Schrift und Bild funktioniert. Teilweise vage, dann wieder konkret, sind Doppelseiten entstanden, die miteinander in Dialog treten. Ich konnte frei zeichnen, wohl wissend, dass Emma später noch einmal überarbeiten und ergänzen würde. Weil das Büchlein zunächst ein Dialog nur zwischen uns war und ich wusste, dass letztlich nur eine Auswahl der Seiten veröffentlicht wird, war mein Zugang sehr frei.

Welche Rolle spielte das Vertrauen im Dialog?
Emma: Wir mussten nicht alles aussprechen – vieles lief über Zeichen, gemeinsame Texte oder das Wissen um die Arbeitsweise des anderen; ein gegenseitiges Vertrauen, das einfach da war. Auf den ersten Blick scheinen unsere Arbeitsweisen sehr unterschiedlich, doch bei genauerem Hinsehen zeigen sich viele Verbindungen: wiederkehrende Elemente, ähnliche Gesten und Ansätze, die von einer Art Verwandtschaft erzählen. Wir wussten nie genau, wie die Arbeiten im Raum zusammenwirken würden, und gerade dieser Freiraum hat den Dialog ermöglicht. Die Werke sollten sich begegnen, berühren und spiegeln, ohne dass alles kontrolliert wird.

Ausstellungsansicht. Emma Kling & Leo Lunger – DOG EARS. Foto: Courtesy of the artist
Ausstellungsansicht. Emma Kling & Leo Lunger – DOG EARS. Foto: Courtesy of the artist

Welche Rolle spielt der Zufall?
Leo: Der Zufall spielte keine Rolle, weil alle Entscheidungen überlegt und revidierbar waren. Natürlich passieren Gesten, die mich überraschen und Entscheidungen beeinflussen, aber im Endeffekt muss doch alles bewusst gefiltert werden.

Der Ausstellungsraum ist spannend. Wie habt ihr ihn gefunden? Weshalb habt ihr euch für diesen entschieden?
Emma: Ich hatte einmal in dem Haus in der Karl-Meißl-Straße mein Atelier. Es ist ein wunderschönes, leerstehendes Haus, und Freund:innen von mir hatten damals das Erdgeschoss als Hobbyraum gemietet. Uns ist dann besonders die Dreiteilung des Raumes aufgefallen – und der Kontrast zwischen dem klassischen weißen Teil und den Wänden, die mehrfach abgeschliffen sind und viele alte Farbschichten in sich tragen. Das hat sehr gut zu unseren Arbeiten gepasst und man konnte innerhalb einer Ausstellung leicht unterschiedliche Stimmungen in den einzelnen Räumen erzeugen.

Ausstellungsansicht. Emma Kling & Leo Lunger – DOG EARS. Foto: Courtesy of the artist
Ausstellungsansicht. Emma Kling & Leo Lunger – DOG EARS. Foto: Courtesy of the artist

Kannst du Emmas Studio beschreiben?
Leo: Das ist jetzt das zweite Atelier, das ich von Emma kenne, das erste war ein klassisches „Wiener Atelier“. Eine Altbauwohnung, die zu einem gemütlichen Arbeitsplatz gemacht wurde. Das neue Atelier ist ein „Belly of the Beast“ im besten Sinne. Es ist ein riesiges Dachgeschoss, das von Balken durchzogen ist und über große Wände verfügt, an denen immer neue Arbeiten hängen. Sie hat einen kleinen Arbeitstisch, auf dem sich Bücher und Aquarelle stapeln. Ein kleiner Couchsessel, auf dem ich mir Emma gut lesend oder über ihre Arbeiten nachdenkend vorstellen kann, steht auf die Wand blickend im Raum. Sie hat eine kleine Werkstatt separat von ihrem Atelier, wo die Holzarbeiten entstehen. Dort stehen Kämme, Autos und Holztafeln herum und warten darauf, bespielt zu werden.

Ausstellungsansicht. Emma Kling & Leo Lunger – DOG EARS. Foto: Courtesy of the artist
Ausstellungsansicht. Emma Kling & Leo Lunger – DOG EARS. Foto: Courtesy of the artist

Wie sieht Leos Studio aus?
Die Tür im ersten Stock zum Studio ist keine Doppeltür, aber ungewöhnlich breit. Etwas an ihr erinnert an Industriearchitektur, robust, funktional, wie aus einem alten Hafenlager. Sie ist schwer zu öffnen, und wenn sie zufällt, geschieht das mit einem unverwechselbaren Klang. Hinter der Tür liegt die Küche, die zugleich als Lagerraum für Bilder dient. Im kleinen Aufenthaltsbereich gibt es ein Sofa, und bis vor Kurzem hing darüber eine großformatige Zeichnung von Leo. Sie sah aus, als würde eine riesenhafte Figur über das Sofa steigen wollen. Links im Raum befindet sich eine eingebaute Wand, auf deren oberem Rand seit Jahren seltsame Requisiten auftauchen, wie der abgetrennte Kopf einer Mannequin-Puppe, der einen von oben anstarrt. Hinter dieser Wand liegen vier Arbeitsplätze. Leo ist irgendwo in der Mitte mit einem großen mobilen Arbeitstisch auf Rollen, einer Art Werkbank, zugleich Lager für Papierarbeiten, Werkzeuge und anderes Material. Er ist mit einer schwarz-weißen Folie beklebt wie die Fliesen eines mediterranen Innenhofs. Trotz des industriellen Charakters hat der Raum etwas Heimeliges. Leos Fenster öffnet sich tatsächlich zu einem Hof, von dem aus man abends in die gegenüberliegenden Studios blicken kann. Sein Platz verändert sich jedes Mal, wenn ich zu Besuch bin. Manchmal liegen großformatige Zeichnungen auf dem Boden und auf dem Tisch, oder es stapeln sich Bücher aus Beton und Epoxidharz. Andere Male ist es voll mit Keramikplatten, Stiften oder Vasen.

Buch: DOG EARS. Foto: Courtesy of the artist
Buch: DOG EARS. Foto: Courtesy of the artist

Wo kann man das Buch kaufen?
Am Donnerstag, den 13. November, kannst du die Ausstellung noch einmal zwischen 16 und 20 Uhr besuchen. Wir werden beide vor Ort sein, und die Publikation ist dort erhältlich. Nach der Ausstellung gerne mich oder Emma über Instagram direkt kontaktieren.

Ausstellung: Emma Kling & Leo Lunger – DOG EARS
Dauer der Ausstellung: 5.11 – 13.11.2025
Adresse: Karl-Meißl-Straße 9, 1200 Wien

Emma Kling – www.emmakling.at, www.instagram.com/emma_kling/
Leo Lunger – www.leolunger.com, www.instagram.com/leolunger/


Emma Kling ist Malerin, ist in Budapest aufgewachsen und lebt derzeit in Wien. Sie studierte Malerei und Animation an der Universität für angewandte Kunst Wien sowie an der Kunstakademie Düsseldorf. Ihre Arbeiten wurden bereits international gezeigt. In Emma Klings Arbeiten geht es um Übersetzungsprozesse zwischen Malerei, Objekt und Text. Persönliche Erfahrungen und theoretische Überlegungen fließen zusammen und verwandeln sich in einem kontinuierlichen Austausch mit den verschiedenen Formaten. Ihre Werke erscheinen als Bilder auf Leinwand und Holz, als skulpturale Elemente, Installationen, Texte und Publikationen. Dabei stehen die unterschiedlichen Formate in ständiger Beziehung zueinander und beeinflussen sich gegenseitig im Entstehungsprozess.

Leo Lunger beschäftigt sich, von der Malerei ausgehend, mit Zeichnung, die im nächsten Schritt als Ausgangspunkt für skulpturale Arbeiten dient. Neben Arbeiten auf Papier entstehen Keramiken, verschiedene Güsse und kleine Miniaturen. In seinen Arbeiten tauchen häufig Elemente auf, die sich auf Pop- und Internetkultur beziehen und ein Netz an Referenzen bilden. Neben diesem Netzwerk an Bezügen gibt es eine vage Komponente, die einen Spielraum eröffnet und vielschichtige Interpretationen zulässt. Seine Arbeiten sind informationsgeladen. Sie sind nicht darauf ausgelegt, eindeutig gelesen zu werden, sondern lassen auch offene Schlüsse zu. Die Referenzen in den Werken sind nicht nur Wegweiser für Betrachter:innen, sondern auch Werkzeuge im Prozess, die diesen beeinflussen.