Wien Kunst

Assunta Abdel Azim Mohamed

Zwischen feinem Humor und gesellschaftlicher Analyse: Die österreichische Künstlerin Assunta Abdel Azim Mohamed arbeitet mit Kugelschreiber, Tusche und Textil. Im Interview spricht sie über ihre künstlerische Entwicklung, kulturelle Einflüsse, die Rolle von Spiritualität und darüber, warum sie ihren Bildern erst am Ende einen Titel gibt.
Assunta Abdel Azim Mohamed. Foto: Matthias Dorninger
Aufnahme aus dem Studio von Assunta Abdel Azim Mohamed. Foto: Matthias Dorninger

Wie setzt du diese Impulse in deiner Arbeit um?
Gerne aus verschiedenen Symbolen, popkulturellen Phänomenen oder alltäglichen Beobachtungen zusammen. Das können Dinge sein, die ich spannend finde, manchmal auch nur ein Nebensatz in einem Gespräch. Hauptsächlich würde ich sagen, dass meine Inspiration aus dem Alltag und aus der Popkultur kommt. Ich finde es unglaublich interessant, was um uns herum passiert, worauf Menschen ihre Aufmerksamkeit richten oder womit sie sich ablenken.

Es können kulturelle oder politische Phänomene sein, aber auch die unterschiedliche Symbolkraft, die bestimmte Dinge in verschiedenen Kulturkreisen haben. Mich interessiert eigentlich alles, und ich mische das dann auf meine eigene Weise zusammen. Oft weiß ich selbst nicht im Vorhinein, worauf das Bild hinauslaufen wird. Das ergibt sich erst im Laufe des Prozesses und oft erst ganz am Ende, wenn das Bild fertig ist.

Foto: Robert Puteanu
Assunta Abdel Azim Mohamed. Foto: Robert Puteanu

Wie gestaltest du deinen kreativen Prozess, wenn du zeichnest?
Die Titel entstehen bei mir immer erst ganz zum Schluss. Ich weiß zu Beginn eines Bildes nicht, wie es am Ende aussehen wird, also kann ich es auch nicht gleich benennen. Meistens habe ich eine Figur im Kopf, die ich als Protagonist:in sehe. Die steht dann in der Mitte. Von da aus arbeite ich mich weiter vor.

Bei kleineren Arbeiten beginne ich tatsächlich in der Mitte und lasse das Bild organisch in alle Richtungen wachsen. Bei größeren Arbeiten, zum Beispiel einem dreieinhalb Meter langen Werk, ist das schwieriger. Da arbeite ich meist von links nach rechts, fast wie eine Nähmaschine, weil es sonst schwer zu planen wäre.

Wie lang arbeitest du an so einer großen Arbeit? Kannst du parallel an mehreren Projekten arbeiten oder konzentrierst du dich lieber auf eins?
Ich würde gern parallel an mehreren Dingen arbeiten, wie viele Künstler:innen das tun. Ich denke mir oft, dass man dann vielleicht schneller fertig wird, aber das ist wahrscheinlich ein Irrtum. Ich konzentriere mich lieber auf ein Werk und arbeite es vollständig aus, bevor ich mit dem Nächsten beginne. Unfertige Arbeiten, die herumliegen, machen mich nervös. Es ist oft anstrengend, wenn man über Monate hinweg an einem Stück arbeitet und gleichzeitig schon neue Ideen hat, aber ich kann mit offenen Baustellen nicht gut umgehen.

Assunta Abdel Azim Mohamed Paper coffins 2023 Kugelschreiber auf Papier 89 x 119 cm
Assunta Abdel Azim Mohamed, Paper coffins, 2023, Kugelschreiber auf Papier, 89 x 119 cm. Foto: Courtesy of the artist

Wie hältst du deine Ideen fest? Mit Skizzen, Notizen oder im Kopf?
Die Ideen kommen mir meistens beim Zeichnen. Ich schreibe sie dann auf einen Zettel, der mittlerweile total unleserlich geworden ist, weil so viel draufsteht. Skizzenbücher benutze ich nicht. Das habe ich nur vor dem Studium gemacht. Weil meine Arbeitsweise relativ zeitintensiv ist, versuche ich, den gesamten Prozess möglichst effizient zu gestalten. Wenn ich eine Idee habe, schreibe ich sie in meine Handy-Notizen oder auf einen Bierdeckel. Das war’s.

Wie bist du zu deinen Materialien gekommen, vor allem zum Kugelschreiber und zur Stickerei?
Das hat sich ziemlich klassisch entwickelt. In der Oberstufe habe ich irgendwann aufgehört, mit Füllfeder zu schreiben, und bin auf Kugelschreiber umgestiegen. Ich habe in viele Schulbücher gekritzelt, so fing das an. Der Kugelschreiber war einfach immer da, man hatte ihn immer dabei. Und so hat sich das Medium quasi eingeschlichen und ist geblieben.

Mit den Textilarbeiten habe ich vor etwa drei Jahren begonnen, vielleicht auch schon länger. Das hat sich durch meinen Vater ergeben. Auf seiner Seite der Familie gab es früher, vor etwa 125 Jahren, eine Baumwollplantage, die im Besitz meines Ururgroßvaters war. Heute sind noch entfernte Verwandte in der Textilindustrie tätig, zum Beispiel in der Matratzen- oder Handtuchproduktion. Ich fand es spannend, ein Material aufzugreifen, das einen Bezug zur Familiengeschichte hat.

Aufnahme aus dem Studio von Assunta Abdel Azim Mohamed. Foto: Matthias Dorninger
Aufnahme aus dem Studio von Assunta Abdel Azim Mohamed. Foto: Matthias Dorninger

Sind deine Textilarbeiten auch von ägyptischer Kultur inspiriert?
Ja, besonders diese Arbeiten. Ich habe eine Serie, die heißt Not from Egypt. Da geht es um Anekdoten, mit denen ich aufgewachsen bin, und Geschichten, die mir mein Vater erzählt hat. Mein Verständnis von Ägypten stammt daher hauptsächlich aus seinen Erzählungen. Diese Erinnerungen versuche ich festzuhalten, indem ich sie in meine Werke einfließen lasse.

Für Außenstehende ist oft nicht klar, was sie bedeuten, aber wenn man die Geschichten kennt, macht das Sinn. Es ist ein bisschen wie ein Suchbild, je länger man schaut, desto mehr entdeckt man. Ich liebe es, wenn man bei einem Kunstwerk nach langer Zeit etwas Neues sieht. Ich finde, die persönliche Erfahrung beeinflusst die Betrachtung stark, und wenn sich die verändert, verändert sich auch der Blick aufs Werk. So wünsche ich mir auch, dass man meine Arbeiten betrachtet.

Aufnahme aus dem Studio von Assunta Abdel Azim Mohamed. Foto: Matthias Dorninger
Aufnahme aus dem Studio von Assunta Abdel Azim Mohamed. Foto: Matthias Dorninger

Wie wichtig ist Spiritualität für dich, persönlich und künstlerisch?
Spiritualität kann alles sein: Religion, Naturverbundenheit, Intuition… Ich finde auch Verschwörungstheorien spannend. Nicht, weil ich daran glaube, aber weil sie zeigen, wie Leute versuchen, etwas zu ersetzen, was sie verloren haben.

Im Islam zum Beispiel dürfen keine Figuren dargestellt werden, ich arbeite aber figurativ. Ich finde religiöse Ikonen total spannend: starke Outlines, goldene Hintergründe, Mosaike, pompöse Gestaltungen. Kirchen faszinieren mich, Reliquien auch. Ich liebe diesen Symbolismus. Der ist in meiner Arbeit sehr präsent. Und das ist für mich eine Form von Spiritualität.

Meine Eltern kommen aus sehr unterschiedlichen Kulturen und meine Mutter ist Österreicherin, mein Vater Ägypter. Beide haben ihre eigene Art von Spiritualität. Es gibt viel Widersprüchliches, und sie streiten auch manchmal über solche Themen. Mein Vater glaubt sehr an Dschinns, das sind Geisterwesen im Islam. Er hat viele Regeln: keine Nägel abends schneiden, keine offenen Scheren liegen lassen… Ich bin nicht religiös aufgewachsen, aber ich kenne all diese Dinge durch ihn. Meine Mutter glaubt an ganz andere Dinge. Ich finde das spannend als Außenstehende, die beides kennt. Das fließt auch in meine Arbeit ein.

Assunta Abdel Azim Mohamed Empty promises I 2018 Kugelschreiber auf Papier 59,8 x 42 cm
Assunta Abdel Azim Mohamed, Empty promises I, 2018, Kugelschreiber auf Papier, 59,8 x 42 cm. Foto: Courtesy of the artist

Weißt du, wann ein Bild fertig ist? Oder würdest du manchmal im Nachhinein noch etwas hinzufügen?
Das spürt man irgendwann. Es gibt eine innere Stoppuhr. Ich habe mir später schon Bilder angeschaut und gedacht: „Da hätte ich noch mehr rein können.“ Aber meistens habe ich eine Art inneres Gefühl dafür, wann es genug ist. Irgendwann ist ein Punkt erreicht, an dem es sonst zu viel wird.

Was sind deine Zukunftspläne, oder entstehen die auch eher spontan?
Meistens weiß ich das selbst nicht so genau. Vieles ergibt sich sehr spontan, zum Beispiel ein Projekt mit einem Museum, an dem ich momentan arbeite. Vor ein paar Monaten wusste ich noch gar nichts davon, jetzt wird es die nächsten Monate bestimmen. Ich hatte früher oft das Gefühl, dass ich wissen muss, was als Nächstes kommt. Aber eigentlich passiert immer irgendetwas. Es ist wichtig, darauf zu vertrauen, dass Dinge sich entwickeln. Das ist schwer, aber mit der Zeit lernt man es. Manchmal denke ich: „Jetzt kann doch nicht einfach nichts passieren…“ Und dann kommt doch wieder etwas. Diese Spontanität hat auch schöne Seiten, weil sich dadurch Gelegenheiten ergeben, die man sich selbst nicht hätte ausdenken können. Und ich glaube, man sollte sich wirklich öfter auf Intuition verlassen. Sie ist meistens richtig.

Aufnahme aus dem Studio von Assunta Abdel Azim Mohamed. Foto: Matthias Dorninger
Aufnahme aus dem Studio von Assunta Abdel Azim Mohamed. Foto: Matthias Dorninger

Im Moment stehen zwei Ausstellungen in Serbien an, wahrscheinlich im Frühling. Das Museum soll im Februar eröffnen. Danach? Schauen wir weiter. Ich hoffe, es ergeben sich neue Projekte.

Für die Zukunft wünsche ich mir jedenfalls, dass ich mich mehr traue, Neues auszuprobieren. Es gibt so viele Medien, mit denen man arbeiten kann. Wir haben zum Beispiel auch einen Keramikofen im Atelier. Das wäre ein Medium, das mich sehr reizt. Damit würde ich mich vom Papier und der Zweidimensionalität ein Stück weit in die Dreidimensionalität bewegen.

Auch Textilien sind in gewisser Weise eine Brücke dahin, weil sie ein haptischeres Material sind als Papier. Klar, sie können auch flach sein, aber ich sehe darin viel Potenzial: Man könnte Hüllen daraus machen, etwas einnähen oder sogar Objekte gestalten. Es gibt viele Medien, die sich mir noch nicht erschlossen haben, die ich aber gerne erkunden würde, Keramik zum Beispiel. Ich hoffe, dass ich dafür einmal den Mut finde. Es ist immer eine Überwindung, sich auf ein neues Medium einzulassen. Es fühlt sich an, als würde man komplett neu anfangen. Aber es wäre auf jeden Fall spannend, diesen eigenen Zugang zu finden, mit dem richtigen Mindset und der Offenheit, Fehler machen zu dürfen. Definitiv: Für die Zukunft wünsche ich mir noch mehr auszuprobieren.

Assunta Abdel Azim Mohamed – www.instagram.com/assunta_abdelazimmohamed/