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Interview mit Daniel Ferstl

Daniel Ferstls Werke entziehen sich auf verschiedenen Ebenen den üblichen Kategorisierungen: Malerei trifft auf Skulptur, High- auf Low-Brow, klassische Komposition auf kitschige Extravaganz in der Wahl der Motive und Materialien.
Photo: Stefan Pani
Daniel Ferstl. Foto: Stefan Pani

Popkulturelle Referenzen reichen von Kultfilmen der 70er und 80er Jahre bis zur zeitgenössischen Gamer- und Meme-Kultur. In seinen jüngsten Arbeiten werden bunte Stoffe auf Rahmen gespannt, auf die gefüllte textile Elemente aufgenäht sind, wodurch die Werke eine dreidimensionale Qualität erhalten. Die malerische Geste ist nur als Rest in den gedruckten Mustern der Stoffe, die Ferstl für seine Hintergründe wählt, präsent. Auf einer unmittelbaren affektiven Ebene sind die seidig glänzenden, flauschigen Arbeiten von jenem „grausamen Optimismus“ durchdrungen, der uns an den Träumen festhalten lässt, von denen wir tief im Inneren wissen, dass sie uns am Ende zerstören könnten.

Daniel Ferstl, geboren 1982, lebt und arbeitet in Wien, studierte Malerei an der Universität für angewandte Kunst Wien bei Christian Ludwig Attersee. Ausstellungen u.a. in der Kunsthalle Wien, Wien (2015), Neuer Jörg, Wien (2015), Ve.Sch, Wien (2015), Belvedere, Wien (2016), Belmacz Gallery, London (2017 und 2019), Foundation, Wien (2018), Zeller van Almsick, Wien (2020), Austrian Cultural Forum, London (2020), Wonnerth Dejaco, Wien (2022). Seit 2022 wird Daniel Ferstl von der Wiener Galerie Wonnerth Dejaco vertreten.

Womit beschäftigst du dich gerade?
Der Mensch, seine Beziehungen, sein Bedürfnis, sich und andere zu kategorisieren, sich jedoch vom Gegenüber auch abzugrenzen, das interessiert mich. Ich habe immer schon gerne Menschen beobachtet und mir den Kopf darüber zerbrochen, warum manche Leute so sind, wie sie sind. Tatsächlich glaube ich nicht, dass man da sehr allgemeine Schlüsse ziehen kann. Aber mir hilft das bei meiner Arbeit immens, da damit auch die Frage zusammenhängt, warum und wie verschiedene Leute Kunst wahrnehmen und warum so viele Menschen auch kein Interesse mehr an (bildender) Kunst haben. Sitzen wir Art People wirklich in einem Elfenbeinturm? Ist der/die bildende KünstlerIn als VermittlerIn, GeschichtenerzählerIn oder EntertainerIn obsolet? Kann man in einer von Befindlichkeiten regierten Gesellschaft noch jemanden mit einem Gemälde rühren? Und wen? Und wie? Es ist wie eine Art Rollenspiel.

Der andere Fixpunkt in meiner Arbeit war immer der freie Umgang mit Materialien. Ich verbringe viel Zeit mit der Suche nach „neuen“ Arbeitsmaterialien. Es gibt zum Beispiel Dekostoffe und Muster, die heutzutage niemand mehr gerne an seinem Mobiliar sieht, die aber „Rührung“ evozieren, nicht als Nostalgie, ich mag Nostalgie überhaupt nicht, aber vielleicht als etwas Heimeliges, Rührseliges, Verhutzeltes – „pathetic“, wie man es auf Englisch sagen würde. Mir ist aufgefallen, dass viele Menschen diese Gefühle teilen. Und darum empfinde ich „camp“, einen Begriff, der öfters für meine Leinwände und Skulpturen verwendet wird, nicht als performativ übertriebene Peinlichkeit, sondern etwas unerträglich Ehrliches, Kleines, Tragikomisches.

John Waters hat das so schön in der Simpsons-Episode „Homer’s Phobia“ auf den Punkt gebracht: „It’s camp! The tragically ludicrous? The ludicrously tragic?“ In uns allen liegt tief vergraben ein Mecki-Igel oder ein Monchichi, der einfach nur erhört werden will und uns zuflüstert: „Es ist egal, ob es dir gefällt, mach dich ruhig lächerlich!“ Oder so ähnlich, haha.

Daniel Ferstl, Lovers, installation view, Wonnerth Dejaco, Vienna 2022, courtesy of Wonnerth Dejaco and the artist. Photo: Peter Mochi
Daniel Ferstl, Lovers, installation view, Wonnerth Dejaco, Vienna 2022, courtesy of Wonnerth Dejaco and the artist. Foto: Peter Mochi

Brauchst du bestimmte Rituale, bevor du anfängst zu arbeiten?
Wenn ich über Idee und Material entschieden habe, kommt eine Phase der Grübelei, bis alle Grundpfeiler der Arbeit abgeklärt und „festgelegt“ sind. So kann ich mit sehr fixem Konzept in die Herstellungsphase übergehen, ich lasse mir jedoch die Freiheit, während der Arbeit vom Weg abzuweichen – der Prozess ist schließlich mein Wegbegleiter.

Woher nimmst du deine Inspiration?
Abseits davon, Menschen zu beobachten, sind Filme meine große Leidenschaft, um es präziser auszudrücken: schlechte Filme. Wenn man einen eigenwilligen Humor hat, ist man bestens unterhalten, aber darüber hinaus findet man nirgends so viel Freiheit und Experimentierfeude, wie im B-Movie der 60er, 70er, 80er-Jahre. Da wurden Filme mit Mini-Budget in MacGyver-Manier gedreht und somit Methoden entwickelt, ohne die das Kino heute nicht auskommen könnte. Ich fühle mich dieser Low-Budget-Mentalität irgendwie verwandt. Ich kann froh sein, wenn es mir auch nur halb so gut gelingt, mein Publikum mit meinen Ausstellungen zu unterhalten. Der Rest meiner Hobbies liest sich wahrscheinlich wie aus einem Freundschaftsbuch: Comics, Videospiele, Tiere, Pflanzen. Aber es ist halt alles so interessant.

Wie verbringst du deine Freizeit?
Ich bin viel auf Twitch unterwegs, ärgere mich über Sachen auf Twitter und mach gerne Fitness, damit mein Ärger wieder verschwindet. Filmabende mit Freunden sind das Allerschönste.

Woran arbeitest du gerade?
Das kommende Jahr wird total spannend. Unter Anderem werde ich Teil einer Ausstellung bei L21 auf Mallorca sein, dann wird es in Dänemark eine von Claus Busch Risvig kuratierte Ausstellung geben und eine super Ausstellung in Wien geben, da weiß ich aber noch nicht, ob ich darüber schon reden kann. Es ist enorm viel zu tun und ich hab gerade mit Dwarf Fortress begonnen, dem kompliziertesten PC-Spiel der Welt! Hoffentlich geht sich das alles aus, haha!

Was wünschst du dir für die Zukunft?
Dass es möglichst so gut weiter geht wie heuer.

Daniel Ferstl – www.instagram.com/daniel_ferstl