Wien Kunst

Interview mit Florian Lang

Florian Lang beschäftigt sich mit der Diskrepanz zwischen dem individualisierten Drang zu Selbstinszenierung der Menschen und deren Verlorengehen in der Masse. In seinen collagierten Malereien und Videos seziert er Motive aus den sozialen Medien und wesens-ändert sie.
Deine Scherben kleben nicht, 2021, Öl, Collage auf Leinwand, 120x160cm
Deine Scherben kleben nicht, 2021, Öl, Collage auf Leinwand, 120x160cm

Er bricht mit Raum, spielt mit Dimensionen und bewegt sich außerhalb normierter Formatierungen. Neben Ausstellungen im In und Ausland, gestaltete er mehrere Bühnenbilder. Er produziert Musik und Musikvideos und schreibt zur Zeit an einem Adult-Cartoon.

Got lost at Oktagon, 2017, Öl, Collage auf Holz,  ca 110x135cm, Foto: Klara Petra Szabo
Got lost at Oktagon, 2017, Öl, Collage auf Holz, ca 110x135cm, Foto: Klara Petra Szabo

Wovon lässt du dich inspirieren?
Schon als Jugendlicher habe ich mich bei nächtlichen Spaziergängen durch die Stadt immer gefragt: „Was tut sich eigentlich hinter den Fenstern wo noch Licht brennt?“ Soziale Medien haben dann diese Fenster geöffnet. Und diese offenen Fenster sind momentan meine Hauptinspiration. Mich interessiert die Inszenierung und Selbstinszenierung in virtuellen Räumlichkeiten. Hier präsentiert man die Lieblingsvariante von sich selbst. Auch wenn man dabei lügt oder dick aufträgt, folgt man einem Muster, dass mich als Künstler brennend interessiert. Jahrelang dachte ich, dass es bei meinen Beobachtungen um die Erforschung der Anderen geht. Doch das Beobachten der Anderen ist für mich lediglich eine Art Spiegel für mich Selbst.

Im Endeffekt ist auch die Produktion von Kunst ein äußerst egoistischer Prozess. Hier geht es nicht um die Anderen. Hier geht es um die Befriedigung von einem selbst.

Womit beschäftigst du dich in deiner Arbeit?
Um das auf einen Punkt zu bringen würde ich sagen: Realitätskonstruktion. Mich interessiert die Konstruiertheit hinter allem, was uns im Leben begegnet. Um das künstlerisch zu verarbeiten habe ich recht bald die Collage für mich entdeckt. Für mich ist alles im Leben Collage.Von der Genetischen Collage beim Zeugungsprozess bis hin zur unglaublichen Collage in unserem Kopf, die im Endeffekt unser Bewusstsein ausmacht. Unser Gehirn verknüpft andauernd Eindrücke die physikalisch niemals kooexistieren können und trotzdem wird es unsere Wahrheit und prägt unsere custumized Reality. In allen Medien passiert etwas sehr Ähnliches. Es wird willkürlich zerschnitten und zusammengefügt, um uns anschließend als Realität verkauft zu werden. Hier setze ich dann mit meiner Klinge an. Mir geht es um das Zerlegen dieser collagierten Welt in ihre Einzelteile, um sie in meiner Arbeit in offensichtliche Collagen zu verwandeln.

Gone with the Windhund, 2021, Öl auf Leinwand, 150x150cm
Gone with the Windhund, 2021, Öl auf Leinwand, 150x150cm

Spielt das Format deiner Arbeiten eine wesentliche Rolle?
Genau betrachtet unterscheide ich bei Format einerseits die Bildgröße und andererseits die Form des Bildträgers selbst. Mit beiden habe ich mich ausführlich beschäftigt. Etablierte Formate wie Rechteck und Quadrat habe ich mit meinen Shaped Canvases aufgebrochen. Meine Arbeiten haben eine starke räumliche Wirkung. Durch die Shaped Canvases versuche ich diese räumliche Wirkung zu verstärken, um sie im Ausstellungsraum mit dem realen Raum zu konfrontieren. In der Kunstwelt hat man oft das Gefühl nur Groß ist großartig. Aber diese Dominanz von physikalischer Größe ist schon seit Längerem gewaltig am Wackeln. Mit dem Aufkommen von Social Media und spätestens seit den virtuellen Ausstellungen der Pandemie wird immer mehr in Frage gestellt, inwieweit die Größe eines Kunstwerkes noch eine relevante Rolle spielt oder überhaupt physikalisch existieren muss. In der Zwischenzeit ist es von Vorteil, wenn Kunst auf dem Handy und auf jedem anderen Bildschirm funktioniert. Ist die Quadrat-Vorgabe von Instagram oder das Hochformat von Stories wichtiger als die Frage, ob ein Kunstwerk groß oder klein ist? Eines ist fix, ich erreiche mit einem Foto von einer meiner Ausstellungen mehr Leute im Internet als auf der Ausstellung selbst. Aber spätestens mit dem Phänomen NFT ist klar, dass der reale Raum und der Wert seiner Größe gerade im Cyber Space neu bewertet wird. Ob diese Blase dann platzt oder nicht ist im Endeffekt auch egal. Was hier gerade beginnt, wird nicht mehr enden.

Wie würdest du deinen Stil beschreiben?
Als hoffnungsloser Romantiker würde ich sagen: Als malerischen Grenzgang der Realitäten im Rahmen der Collage.

Du hast an der Akademie der bildenden Künste in Wien, der Glasgow School of Art und der Marmara Universität in Istanbul studiert. Welche Erinnerungen verbindest du mit dieser Zeit?
Alle 3 Städte hatten ihre Impacts auf mein Leben. Die hier aufzulisten würden den Rahmen sprengen. Ich würde aber meinen, den für mich selbst überraschend größten Einfluss auf mein Leben hatte meine Zeit in der Türkei. Während meine Studienzeit in Wien und Glasgow all das förderte, wo ich künstlerisch hin wollte, fungierte Istanbul/Türkei wie ein Pürierstab. Damit meine ich nicht die Universität an sich. Da gab es für mich künstlerisch nicht viel zu holen. Aber das Land selbst war wie ein Skalpell das mich zerschnitten und neu formatiert hat. Alles was ich mir bis dahin erarbeitet hatte, alles woran ich geglaubt habe, wurde dort völlig über den Haufen geworfen. Es war fast so, als ob das Land einer völlig anderen Physik unterliegen würde. Planung war unmöglich. Immer kam alles ganz anders und Zeit spielte eine untergeordnete Rolle. Ich musste lernen all das anzunehmen was mir passiert, und nicht mehr das zu suchen was ich wollte. Ich habe dort gelernt den Zufall zu akzeptieren und mit ihm zu arbeiten. Ich bin ca 6000 km im Land herumgereist und eigentlich war nichts davon geplant. Eigentlich wollte ich nur nach Kappadokien. Aber ich war nie da. Statt dessen erwartete mich eine Reise durch 15 Jahrtausende. Ich war im Endeffekt ausschließlich an Plätzen von denen ich noch nie in meinem Leben gehört hatte. Stand am Euphrat und Tigris. Blickte von einer mittelalterlichen Stadt auf Syrien und kam an die Grenzen bis zum Irak. Teilweise war ich mir nicht sicher, bin ich in einem Computerspiel oder in einer Zeitreise gefangen. Alt prallte auf Neu und ergab einen Mix den wir in unserer geordneten Welt überhaupt nicht kennen.

Portrait / Foto: Katrin Weidhofer
Florian Lang. Foto: Katrin Weidhofer

Gibt es etwas was du unbedingt ausprobieren willst.
Auf meiner Lifetime Achievment Todo-Liste steht noch Entwicklung einer Adult Cartoon TV Serie. Die Serie geistert schon seit einem Jahrzehnt in meinem Hinterkopf. Aber schön langsam wird es sehr konkret.

Woran arbeitest du aktuell? Ist für 2022 schon was geplant?
In den letzten Jahren waren meine Bilder meist menschenleere Landschaften. Selbst wenn Menschen vorkamen, fungierten sie bloß als landschaftliche Bild-Elemente, in der einzelne Personen keine herausragende Rolle spielten. In den aktuellen Arbeiten habe ich begonnen Akteure zu entwickeln, um meine Bilder wieder mit Protagonisten zu bevölkern. Unter dem Titel „First we had an apple now we eat the snake“ ist eine Soloausstellung in Planung. Hierfür habe ich mich mit dem Dystopischen Paradies beschäftigt, dem Leben in der selbst gebastelten Postkarte, das wir in den Sozialen Netzwerken als persönliches Paradies präsentieren. Eine weitere Ausstellung ist mit Katrin S. Weidhofer geplant. Sie ist meine Lebensgefährtin und die Mutter unserer gemeinsamen Tochter. Wir beschäftigen uns beide exzessiv mit Collage und es ist uns schon länger ein Anliegen, uns als Collage-Couple zu etablieren. Beide Ausstellungen sind schon seit 2020 in Planung und wurden pandemiebedingt immer wieder aufgeschoben. Ich bin schon sehr gespannt ob 2022 diese Ausstellungen zulassen wird.

Florian Lang – www.florianlang.com