Wien Kunst
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Kolumne. Sibylle Ciarloni

»Gefährliche Verben und die Hunde der Nachbarn«. Verben, die mit k und o beginnen, können gefährlich werden. Konfrontieren, kopulieren, konsultieren, kontaktieren, korrespondieren, kooperieren. Immer sind mehr als Ich beteiligt. Etwas oder jemand kommt dazu. Das Eigene spiegelt sich im Gegenüber und wird hinterfragt. Ko ist unberechenbar.

Es ist wieder nachts um halb elf. Ein Freund schickt mir das Bild eines aus Stein gemeißelten Hundes in Mantova. Ich bin an der Adria und versuche, über kollaboratives Denken zu schreiben. Mein Rechtschreibprogramm unterstreicht kollaboratives rot. Die Hunde der Nachbarn heulen ihren nächtlichen Kanon. Ich schweife ab und komme wieder. Denken geht dann, wenn ich mich in meine eigene Dimension zurückziehe. Jenen Ort, wo nur die Idee sich formuliert und zeigt: in aller Schönheit, in aller Garstigkeit, in aller Sehnsucht. Es ist der Ort der Vorstellung. Dort kooperieren die Metaphern und Synapsen. Doch wie geht das mit dem kollaborativen Denken, also wenn zwei oder mehr Menschen aufeinandertreffen und etwas zu besprechen haben?

Kunstschaffende gehen die Gefahr der Kooperation aus freien Stücken ein, projektbezogen oder sogar für die gesamte künstlerische Praxis. Würden sie alle ihre Gespräche und Prozesse dokumentieren, wären Spuren von kollaborativem Denken lesbar, erzählbar und sogar lernbar. Die ko-Verben sind Werkzeuge zum Austausch und – im besten Fall – zum Zwecke momentaner (Un-)Einigkeit über die Dinge. Das ist die Gefahr. Wieder heulen die Hunde nebenan. Ich stehe auf und gehe die Käfige öffnen. Oder wie kann ich jetzt mit den Nachbarn kooperieren?

Link zur Sonderausgabe »Ko-Kreation«


Über Sibylle Ciarloni. Sibylle Ciarloni beschäftigt sich mit der Stimme anderer Lebewesen und deren Einfluss auf die menschliche Existenz. Sie interessiert sich für Transformationsübungen, insbesondere für Flucht- und/oder Anpassungsbewegungen. Sie arbeitet mit verschiedenen Medien und Forschungstechniken in ihrem Atelier an der italienischen Adriaküste. Dort ist sie Mitbegründerin eines Kulturvereins, der sich für einen grenzenlosen Austausch von Praxiswissen mit Künstlerinnen, Schriftstellerinnen und Forscher*innen einsetzt. Ihre Werkzeuge sind Zuhören, Lesen, Beobachten, Sprache, Extrapolation und Wiederholung. Sie beschäftigt sich mit langfristigem, praxisbezogenem spekulativem Denken. Zurzeit entwickelt sie eine Residenzplattform, die auf dialogischen Kunstpraktiken basiert. www.sibylleciarloni.com