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Berlin. Ausstellung. Raum im Raum

Die Ausstellung „Raum im Raum“ zeigt die Arbeiten von zwei sehr unterschiedlichen Künstlern. Ferdinand Dölberg konzentriert sich auf Malerei, Georg Vierbuchen auf Objekte. Einer arbeitet ausgehend vom Subjekt, der andere bezieht seine Kunst aus einer unübersichtlichen Außenwelt.

Der 1998 geborene Maler Dölberg spinnt Netze aus Beziehungen: zwischen Betrachtern und fiktiven Räumen und zwischen den Figuren in seinen Bildern. Wenn man sich Dölbergs Gemälde von 2019 und 2020 anschaut – eine Zeitspanne, in der nicht nur in der Welt einiges passiert ist, sondern auch in seiner Malerei, dann sieht man nämlich eine erstaunliche, schnelle Entwicklung. Von soft zu hart, vom Ornament zum Umriss und vom Farbverlauf zur Linie. Es gibt in der letzten Zeit die Unterstellung, Malerei würde sich im Umbruch befinden. Meistens geht die Gleichung dabei so: Es gibt das Internet, und es gibt Malerei, deshalb müsse sich die Malerei anpassen. Ob figurativ oder abstrakt, Kanten werden klarer, bunt und clean muss es sein, damit die Bilder auf Instagram funktionieren. Dieser Ästhetisierung verweigert sich Dölberg. Seine Bilder sind ohnehin viel zu detailliert, denn er benutzt Werkstoffe wie Kreide, Epoxydharz, und er malt über Monotypien. Diese materiellen Gegebenheiten gingen auf einen Handydisplay verloren. Dölberg behandelt die Einzigartigkeit von Personen, sagt er, aber seine Figuren haben seltsam starre Gesichter, wie jene japanischen Theatermasken, deren Leere es erlauben soll, sich in die Rollen hineinzuversetzen.

Ferdinand Dölberg Versuch zu Zweit_2019_190 x 130 cm_Oil and chalk on canvas
Ferdinand Dölberg, Versuch zu Zweit, 2019, 190 x 130 cm, oil and chalk on canvas

Mit den mal ausweichenden, mal durchdringenden Blicken geht ein seltsamer Effekt einher: Die Ausdruckslosigkeit und die emotionale Unbestimmtheit entfremden die Betrachtenden nur beim ersten Hinsehen, dann aber werden die Gesichter zu Leerstellen, die wir nur füllen müssen. Sie sind so offen, dass sie kein Geschlecht besitzen. Oder besser gesagt, sie haben das Potential, alle Geschlechter abzubilden. Der Maler nennt sie nicht-binär. Paradox also: Das große Thema Individualität — ein Problem der Malerei seit Jahrhunderten — geht der Maler an, indem seine Figuren eben nicht als Individuen dargestellt sind, sondern als Typen. Dölberg verhandelt nicht nur die Beziehung von Betrachtenden zum Bild, sondern auch Beziehungen von Menschen.

Wie Menschen miteinander umgehen, ist eine weitere Frage in seinen Bildern. Die Hand, die um eine Schulter greift, kann eine freundschaftliche Annäherung sein, eine Beruhigung. Aber eben auch eine Bedrohung, eine Einengung.

Irgendwann passierte aber noch etwas anderes in Dölbergs Bildern. Eine Lineatur wie auf alten Schultafeln drängt sich durch die Farbe nach vorne. Sie ist nur schwach zu sehen, genauso wie die Buchstaben zwischen den Linien. Ein B, in Schreibschrift ist da zu erahnen, zum Beispiel, und ein Q, als hätte jemand das Alphabet geübt, bevor der Künstler darüber gemalt hat. Die Linien tauchen immer wieder auf, als Zeichen eines Systems: Wiederholung im Raster, Alptraum der Moderne. Wer das A tausend Mal geschrieben hat, weiß wie es geht. Das verweist freilich auf die Wiederholung als künstlerisches Prinzip, das für die Arbeit des Malers notwendig ist, weil, wer lernen will, muss üben. Zugleich besteht immer die Gefahr der Standardisierung, der Normierung, wie sie in der Schule passiert, und irgendwann steht da: „Kreise haben keine Ecken“. Das Gegenbild dazu ist das anarchische Spiel, das Dölberg seinen Figuren mitgibt, und vielleicht auch die wilden Muster in den ihren Kostümen. „Das ist alles fiktiv“, sagt der Maler. Er finde es spannend, die Personen, die er malt in ein eigenes Umfeld zu setzen, sagt er. Die Räume sind eng. Manchmal ist es so eng, dass sich Dölbergs Charaktere überschneiden auf der Bühne der Leinwand und im Spiel der Beziehungen. Und als wäre die Einengung im fiktiven Raum nicht genug, überträgt der Künstler seine Fiktion in den Ausstellungsraum. Denn gelegentlich mauert er sich ein, in einen Raum, an dessen Außenwänden seine Gemälde hängen, oder er schließt sich in einer Holzkiste ein. Meistens für die Dauer der Ausstellungseröffnung und meistens so, dass die Leute ihn nicht sehen. Im Prinzip, so sagt Dölberg, könne man aber mit ihm kommunizieren, und das gleich auf zwei Kanälen: über die Bilder und mit dem Maler in der Kiste. In der Mitte das Subjekt: So könnte man Dölbergs Malerei auf eine Formel bringen, aber der Künstler lässt die Mitte leer. Und doch entwickelt er seine Themen aus sich heraus.

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