Wien Kunst
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Anne-Clara Stahl. Fabricius 2020/21

Fehlende Berührung führt zur Verletzung der auf sich zurückgeworfenen Körper. Die Vielheit der Körper wird zu einer Einzelheit und unbemerkbar schleicht sich das Gefühl von Verlust ein. Wie lauten nun die Berührungspunkte der Finger?

Wir haben keine Ahnung, welche Bedeutung die Trennflächen haben, denen wir jetzt unsere Aufmerksamkeit schenken. Wenn ein spärlicher Kontakt dazu führt, dass eine Verfestigung des Alleingangs stattfindet, konzentrieren sich die jeweiligen Körper mehr auf ihr eigenes Dasein, als dass sie sich dem Außen öffnen. Der Körper braucht die Ausdehnung, er hat Spielgelenke, die bewegt werden wollen, er kann nicht nur zu sich selbst stehen. Dennoch entwickeln sich Bewegungen ins Gemeinsame, wenn auch im Alleingang. Fabricius versammelt im Bild und vereint das Zusammenkommen, das Miteinander, das in Einsamkeit nicht stattfinden würde.

Über die Künstlerin:
Die in Wien lebende Künstlerin Anne-Clara Stahl entwickelt in ihren Malereien das Aufeinandertreffen von Körpern. Dabei sieht und behandelt sie das Werk stets als ihren Gegenüber. Die Zeichnung und die Malerei werden so zu Mitspielerinnen in einem Arbeitsprozess, der meist in einer räumlichen Stille stattfindet. Jedes Werk wird innerhalb dieses Prozesses nach und nach zu einer Persönlichkeit. Anne-Clara Stahl vergleicht das Zusammenkommen mit den entstehenden Arbeiten, mit einer immer wiederkehrenden Verhandlung von Beziehung. Es entstehen Sehnsuchtsorte, die aus einer Zustandsbeschreibung heraus aufkommen. Im letzten Jahr ging es vermehrt um das Aufspüren von stillgelegten Bewegungen und Beziehungen. Die neu empfundene zwischenmenschliche Distanz, sowie eine wachsende Tendenz zum Alleingang zeigen sich in der malerischen Auseinandersetzung und werden damit zum Zeugen einer bestimmten Zeit. Damit haben vor allem die Arbeiten aus dem letzten Jahr einen großen Zeitbezug. Grundsätzlich interessieren Stahl menschliche Konstellationen, Verbindungen, das Zusammenkommen und das Abdriften. Dabei analysiert sie Verhältnisse, Distanzen und Verschmelzungen. Malen beschreibt Anne-Clara Stahl als das Aufeinandertreffen von Rastlosigkeit und Präzision, das Treffen von Geduld und Eifer.

Wenn ich male, bin ich dabei sehr bedacht, versuche ein Gleichgeweicht herzustellen und mich auf Dinge einzulassen die währenddessen passieren. Das ganze ähnelt einem Beziehungsgeflecht. Eine Intention könnte sein, diesem Verhältnis näher zu kommen, es zu denken und auch darüber zu schreiben.

Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt in der sprachlichen Annäherung mit der Malerei. Dieser drückt sich in kleineren Textarbeiten, sowie begleitenden Niederschriften aus. Solche Textfragmente hegen nicht den Anspruch, das Wesen der Malerei sprachlich zu bestimmen. Sie sind vielmehr ein Versuch, das Wort auf eine ähnliche Weise zu behandeln wie das Bild. Sie gleichen einander also mehr, als dass sie sich gegenseitig bedürfen.

Die Arbeit im Atelier erlebt Anne-Clara Stahl als regelmäßige Reise an einen Ort, an dem zunächst jegliches Denken eine Daseinsberechtigung hat, um im Weiteren zu einer Mission zu werden. Die Malerei wird dort zum Zeuge und Hauptakteur dieser Gedanken. Neben der Malerei auf Leinwand arbeitet Anne-Clara Stahl viel auf Holztafeln, in die sie Zeichnungen hineinritzt. Das Zeichnen wird dadurch zu einer sehr körperlich aktiven Handlung. Meist sind die Arbeiten in Stahlrahmen gefasst. Dieser Materialkontrast thematisiert die Rahmung und die dadurch entstehende Differenzierung des Werkes. Anne-Clara Stahl erarbeitet in ihrer Malerei Gleichungen eines zeitlichen Geschehens. Die Arbeiten sind somit Annäherungen an eine Zustandsbeschreibung einer sich vereinzelnden Gesellschaft und einer sichtbar werdenden Körperlosigkeit.

Anne-Clara Stahl – www.anneclarastahl.de