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Lea Gudrich im Interview

Natürlich hat Lea Gudrich eine Künstlerbiografie vorzuweisen, die sie qualifiziert ernst genommen zu werden – Studium der freien Kunst in Rouen, Kunstakademie in Krakau, dann Lehrauftrag in Trier, Ausstellungen quer durch Deutschland, ein Atelier in Köln und ein zweites auf dem Land in Speicher.
Lea Gudrich Atelier in Köln
Künstlerin Lea Gudrich

Wie immer sagen diese Daten wenig Wesentliches über den Menschen dahinter aus. Klar: In ihren Bildern findet sich die akademische Strenge der polnischen Kunstakademie, in ihrer mutig-bunten Üppigkeit der Exzess der freien französischen Kunst und dass sie immer schon Malerin war, ist der Souveränität ihres Strichs, dem tausendfach gelernten und geschliffenen Umgang mit ihren Materialien anzusehen. Auch dass ihr das offenbar schöne leichter fällt als das plakativ eklige findet sich in der Biographie einer Malerin, die häufig präzise Miniaturen kleiner Tiere malt. Allerdings – und dass ist vermutlich eine Binse über Künstler die durch Bilder kommunizieren – sind solche Betrachtungen so weit weg von der Realität, wie der Versuch die Pyramiden von Gizeh mit dem Gewicht ihrer Steine zu erklären.

Lea Gudrich zu begegnen gelingt am besten in ihren Bildern, die auf den ersten Blick gefällig sind und auf den zweiten Blick einen unheimlichen Grusel schaffen, ein Unbehagen mit den wohlbekannten Gegenständen und Situationen unserer Welt in uns berühren.

Ihre oft großformatigen Arbeiten sträuben sich gegen akademische Domestizierung und entziehen sich geschickt vielen Kategorien zeitgenössischer – oft männlicher – Kunstkritik. Ihre Bilder sind mutig, weil sie den Kitsch nicht fürchten und eingängig, weil sie unmittelbar an etwas im Betrachter rühren, das reflexhaft funktioniert und keine bewusste Reflektion der Bildinhalte als Umweg benötigt. Dieses subkutane Moment entfaltet sich am besten in ihren großformatigen Bildern, deren Zauber in ihrem immersiven Magnetismus liegt. Unabhängig von der Zeit die wir vor ihren Bildern verbringen, erlebt sich die Malerei von Gudrich als fortlaufende Metamorphose; immer gibt es ein Farbfeld, einen Bogen, eine hintersinnige und ephemere neue Welt zu finden, wo vorher vor allem Leinwand und Farbe waren.

Wie bist du zur Kunst gekommen? Warum Kunst?
Die Frage zu beantworten ist für mich immer mit einem Moment tiefen Unverstehens verknüpft – einfach, weil die Frage so selten andersherum gestellt wird: „Warum bist du kein*e Künstler*in?“ hab‘ ich noch nie jemanden Fragen hören, obwohl sich das aus meiner Lebens- und Empfindungswelt viel dringender anfühlt. Ich glaube das Kunst schaffen für mich ohne echte Alternative steht. Ich kenne mich nur malend, ich kenne mich nur zeichnend und ich kenne mich vor allem nur mit dem dunkel-Unfertigen in mir, dass macht das ich malen will. Ich kann die Gründe dafür gar nicht reflektieren und – ganz ehrlich – fürchte auch die echte Antwort auf die Frage. Vielleicht steht hinter dem was ich tue nur Eitelkeit oder irgendein neurophysiologischer Defekt und es wäre für mich viel gesünder in einer Therapie zu lernen mich der Welt anders zu nähern als malend – so wies ist, die Kunst als ungerechtfertigter Kraftkern meines Lebens, opak und leise beängstigend, bin ich produktiv und in einem zwar fragilen, aber doch existierenden Gleichgewicht. Ich glaube das geht den Bach runter ohne Kunst.

Würdest du uns deine Maltechnik und deinen Stil beschreiben?
Dass mir diese Frage in Interviews auf die Füße fällt und mir die Antwort schwer, verbuche ich als Erfolg für meine Kritiker, die meine Arbeiten oft als zu vielgestaltig und zu wenig stilistisch festgelegt beschreiben. Mein Stil ist – glaube ich – ausufernd, in dem Sinne, dass es Serien von mir gibt, die ans schwülstige Grenzen und sehr üppig figurativ, während andere Arbeiten sehr reduziert sind auf wenig Farbe oder wenig Kontur. Was ich in fast allen Bildern finde, ist die Auflösung von Flächen und eine enge Beziehung zwischen Bildhintergrund und figurativen Elementen. Die Körper sind oft unfertig und offen gegen den Bildhintergrund. Dadurch, dass ich häufig Elemente zitiere, die uns allen geläufig sind, Augen, Hände, Gesichter, menschliche Körper, ist es für den Betrachter leicht das Bild im Kopf zu Ende zu malen und die eigentlich unvollkommenen Figuren als fertig ausformulierte wahrzunehmen. Ich glaube diese Art Kunst zu machen, die für den Geist des Betrachters unmittelbar anschlussfähig ist, ist eine sehr bewusst weibliche Art zu malen. Die Kommunikation mit den Bildern wird organisch und Brüchigkeit entsteht nicht in offener Opposition zu unseren Seherwartungen, sondern im Wirken des Bildes vor dem inneren Auge des Betrachters. Meine Maltechniken spiegeln dieses Herangehen an die Bilder bisher wider. Ich arbeite viel mit Acryl- und Ölfarben und hatte früher große Anteile an Tuschezeichnungen in meinen Malereien.

Die Tusche tritt allerdings im Moment sehr in den Hintergrund und mein Auftrag begrenzt sich deutlich auf Acryl und Öl – ich bin sehr gespannt ob die Tuschezeichnungen sich in der Zukunft wieder regelmäßiger in meine Malerei schleichen oder ob meine Maltechniken sich weiterhin zuspitzen.

Woher nimmst du deine Inspiration?
Das ist zum Glück sehr leicht zu beantworten – wie die meisten Künstler*innen bin ich in Sachen Inspiration omnivor und gänzlich parasitär: Ich nehme was die Welt mir an Sinneseindrücken, an Gefühlen, an Ideen präsentiert und mache daraus Bilder. Ich glaube mein großes Glück dabei ist, dass ich sehr durchlässig bin und die Welt auf wenig Widerstände trifft, wenn sie mir begegnet. Ich kann mich nicht gut vor Eindrücken verschließen und Wahrnehmungsebenen hierarchisieren. Was mir begegnet kategorisiere ich nicht gut in „wichtig“ und „unwichtig“ und dann verliere ich mich oft in Details, die vielen Menschen nicht auffallen, mir aber Welten auffächern. Am leichtesten ist das für mich in Naturbegegnungen – ich glaube Kunst schaffen ist immer ein Pastiche in dem wir dem was die natürliche Welt geschöpft hat hinterherstolpern und ich bin oft tief ergriffen von dem wie diese Welt sich uns darstellt. Diese Schutzlosigkeit gegenüber meinen Beobachtungen und Wahrnehmungen ist oft ein Teil meiner Bilder – der Schrecken der Welt, die Unmittelbarkeit der Einflussnahme auf mich, ist immer irgendwo in den Bildern und für mich häufiger ein Treiber zu malen als blanke Schönheit. Inspiration entsteht für mich oft da, wo sich das Schöne und der Verfall des Schönen, das Gewohnte und der Grusel begegnen und miteinander konkurrieren ohne dass klar ist was jeweils ursächlich für das andere war.

lea gudrich interview

Wie sieht dein künstlerischer Prozess aus?
Kunst ist in meinem Leben Janusköpfig – einmal das was ich tue und – so abgeschmackt das klingt – was ich bin. Beides zusammen strukturiert meinen Arbeitsprozess. Das was ich tue ist sehr professionell organisiert. Ich male sehr regelmäßig und diszipliniert und verwalte mein Künstlerdasein. Das ist profan und wichtig um von der Kunst Leben zu können. Instagram und meine Website pflegen, Buchhaltung machen, Material organisieren, Veranstaltungen und Ausstellungen planen machen einen Gutteil des Arbeitsprozesses aus.

Bilder entstehen auf der Leinwand im Vergleich zu diesen Tätigkeiten sehr schnell und ich habe selten das Gefühl irgendwas nicht malen zu können. Der konkrete künstlerische Prozess ist allerdings mehr als Pinsel und Leinwand; eben das was ich bin. Mein ganzes Leben – das ist schwer vermittelbar, aber wahr – ist Teil dieses Prozesses und ich kann nur malen was ich lebe und fühle. Ich male viel Natur – wenn ich einen Vogel male, ist es wichtig, Vögel auf Spaziergängen, auf meinem Balkon, im Wald sehr genau zu beobachten. Es ist Teil des Prozesses, dass ich mit Menschen übers Malen spreche und übers Leben, dass ich Menschen begegne, die mich fordern und deren Leben mich inspiriert. Das ist weder strukturiert noch zielgerichtet, aber vielleicht das was mein Malen ausmacht. Es gibt keine Skizzen, keine Prolegomena, keine Planung außerhalb meines Kopfes. Ideen für Bilder wachsen in mir und irgendwann werden sie so deutlich, dass ich sie auf die Leinwand bringen kann.

Gibt es eine Deutung für jedes deiner Bilder?
Klar. Mindestens meine – meistens dann noch die verschiedenen Interpretationen der Betrachter. Ich glaube mit den Deutungen von Bildern verhält es sich ein wenig so wie mit dem Deuten von Literatur. Marcel Reich-Ranicki hat mal gesagt die meisten Dichter verstünden vom Dichten nicht mehr als die Vögel von der Ornithologie und ich finde das beschreibt mein Verhältnis zur Malerei trefflich. Es gibt wunderbare Menschen in meinem Umfeld die sehr kluge Dinge über Kunst im Allgemeinen und meine Kunst im Speziellen sagen und ich bin oft überrascht über die Erkenntnisse, die Menschen über was ich mache und wer ich bin aus meinen Bildern destillieren. So gut gelingt mir das Deuten meiner Arbeit selten und wenn, dann in der Rückschau. Wenn ich Dinge in meinem Leben bewältigt habe oder Entwicklungsphasen vollzogen sind, kann ich diese manchmal in meinen Bildern wiederfinden. Eine Freundin hat mir einmal gesagt meine Bilder seien zeitgemäß, weil sie mit der Auflösung und Suche von Identitäten zu tun hätten und ich glaube das ist ein kluger Satz in Bezug auf das Schaffen der meisten bildenden Künstler. Da ich selbst ständig in diesem Auflösen- Suchen- und Wiederfinden Prozess stecke und meine Arbeiten Momentaufnahmen dieses Prozesses ist, kann ich mir mein Tun nur rückwirkend erklären. Es ist selten der Fall, dass ich einen Sinnzusammenhang intellektuell erschließe, diesen deute, ein Konzept erstelle und das dann male. Andersrum; Ein Bild malen, dieses deuten (Alleine oder mit anderen), mir dann eine veränderte Welt intellektuell neu erschließen, ist es für mich richtiger.

lea gudrich interview

Wie sieht dein Arbeitsplatz aus?
Aufgeräumt – ich bin eine sehr ordentliche Malerin und ich brauche weder spezielle Kleidung fürs Malen noch eine Atmosphäre, die besonders artsy ist. Meine Leinwände hängen an einer weiß gestrichenen und unverputzten Betonwand, das Licht scheint durch Industrieoberlichter, wie sie in den meisten der alten Werkhallen in Ehrenfeld verbaut sind. Mittags, wenn die Sonne über mir steht, ist das Licht oft sehr warm, abends dann durch Leuchtstoffröhren ersetzt etwas kühler, aber immer ohne Schattenwurf. Hinter mir hängen abgeschlossene Arbeiten – entweder neue Serien oder Bilder, die ich für potentielle Käufer hänge. Rechts neben mir ist ein hüfthohes Holzregal, das aus verschraubten Baumarktplatten gebaut ist, obenauf eine alte Lederschatulle mit Pinseln, daneben ein Tivoli Radio mit Aux-Anschluss, da ich beim Arbeiten Musik höre. Meine Kopfhörer liegen auf einem kleinen Tablett auf dem Radio und daneben stehen ein Stahleimer mit Terpentinersatz, vor dem ein kleines Handtuch für die ausgewaschenen Pinsel liegt. Da ich viel mit Acryl und Ölfarben male sind dies die Standardutensilien für die meisten meiner Arbeiten. Neben dem Holzregal steht ein schmales, schwarzes Stahlregal, in dem ich Farben lagere. Darauf stehen oft Acrylfarben und eine Flasche Wasser. Mein Atelier in Köln ist zweckmäßig und braucht wenig Gestaltung. Ich genieße es sehr in einer Ateliergemeinschaft zu sein und häufig höre ich andere Künstler arbeiten, ihre Musik und die Geräusche ihrer gesprächigen Geschäftigkeit. Das Rauschen in meinem Atelier ist wie alleine im Café sitzen. Menschen sprechen und es herrscht eine allgemeine Emsigkeit in der Alleine sein und arbeiten ganz einfach ist.

Was kommt als Nächstes?
Nach einem Interview bei euch ist vermutlich der logische nächste Schritt dass mir die Gestaltung des deutschen Pavillons auf der Biennale von Venedig angedient wird. Mindestens.

…und Scherz beiseite, kommt als nächstes das was bei mir immer das Nächste war. Arbeit und Struktur und Malen und Entwicklung – ich habe das große Glück, dass meine Arbeiten Käufer finden und dass ich mich darauf konzentrieren kann durch die Malerei und in der Malerei zu existieren. In meinem Herzen entsteht gerade nach einem Gespräch mit einem Maler, den ich sehr bewundere, ein Bild, von dem ich das Gefühl habe, es könnte einen nächsten Schritt in meiner persönlichen und künstlerischen Entwicklung bedeuten und vielleicht kann ich es bald malen. Auf den Moment dieser Bildwerdung, die mich bestimmt sehr überraschen wird, freue ich mich. Wenn es fertig ist, sag‘ ich Bescheid und dann auch was danach das Nächste wird.

Lea Gudrich – www.leagudrich.com