Wien Kunst
Bildende Kunst

Interview mit Carina Papouschek

Die neurodiverse Künstlerin Carina Papouschek positioniert sich zwischen Street Art and Art Brut. Sie fühlt sich keiner der beiden Kunstrichtungen zugehörig, es bestehen aber wahrnehmbare Überschneidungen inhaltlicher und formaler Natur. In beiden Stilrichtungen hat sie ihre ganz persönlichen Erfahrungen, die sich auf ihre künstlerische Tätigkeit auswirken und ihre Formsprache prägen.

Wie beschreibst du deinen Stil? Was waren prägende Phasen?
Ich beschäftige mich mit kulturellen, gesellschaftlichen Normen und mit der Befreiung dieser. Normierungen sind Teil unseres Lebens und ständig spürbar – familiär anerzogen, autoritär auferlegt oder durch Medien kommuniziert nisten sich diese in unserem Bewusstsein ein – sollten aber durch Thematisierung der individuellen Bedürfnisse aufgezeigt und aufgelöst werden. Die ganz persönliche Aufarbeitung meiner Vergangenheit und die Förderung der eigenen Kräfte treiben mich in meiner künstlerischen Auseinandersetzung voran. Meine Werke wirken naiv und entstehen aus einem inneren Konflikt, einem inneren Gefühl heraus. Ich versuche die innere emotionale Bewegung mit meinen Arbeiten festzuhalten, um Interaktionen zwischenmenschlicher Beziehungen besser verstehen zu können. Diese ursprüngliche und impulsive Entscheidung des Wesens, meines Wesens versuche ich in Bildern festzuhalten. 

carina papouschek

Sensibel und geduldig beobachte und analysiere ich die Umgebung und bringe die bewussten und unbewussten Erkenntnisse explosiv zum Ausdruck. 

Ausgehend von meinem Standpunkt lasse ich den Betrachter_innen den Freiraum für eigene Interpretationen. Den Fokus lege ich auf die Freiheit für individuelle Entfaltung, Reflexion, Infragestellung des Status Quo und die Unterstützung bei Lernprozessen durch Kommunikation.

Seit meiner Kindheit bin ich stark daran interessiert mich künstlerisch auszudrücken. Auch in meinem Grafikdesign Studium habe ich immer den künstlerischen, den tiefergehenden Ausdruck gewählt. Mein Abschlussprojekt war die Visualisierung eines Gedichtbandes, teils selbstgeschriebener Gedichte, teils unterschiedlicher Interpret_innen wie zum Beispiel „Die Todesfuge“ von Paul Celan. Auch im Studium an der Akademie der bildenden Künste konnte ich mich in unterschiedlichen Feldern ausprobieren und die Einflüsse meiner Studienkolleg_innen und Lehrenden waren maßgeblich. Mein künstlerisches Ego entwickelte ich aber erst mit dem Ausbruch meiner Krankheit, das ist nun 6 Jahre her. 

carina papouschek interview

Mit welchen Themen beschäftigst du dich?
Ich versuche auf alles einen kritischen Blick zu bewahren, um an den Themen positive wie negative Entwicklungen zu sehen. Die Themen mit denen ich mich beschäftige sind politischer, philosophischer und psychologischer Natur, also sehr breit gefächert. Ich versuche meine Sicht auf die Dinge, mit denen ich konfrontiert werde, durch meine künstlerische Umsetzung zu kommunizieren und sichtbar zu machen. Was mich beschäftigt, wo ich mich aufhalte, mit wem ich auf produktiver Ebene kommuniziere, schafft den Weg in meine Bilder. Oft sind es die Menschen in meinem Umfeld, die einen Nachhall in meinem Unterbewusstsein formen, die dann wieder impulsiv rausgelassen werden wollen. Aber ich beschränke mich nicht auf die Malerei oder auf die Zeichnungen, die ich anfertige. Ich bediene mich der Fotografie, habe Erfahrungen in der Videokunst, in der Poesie, in der Mode und im Aufbau von Installationen. Ich lege mich nicht gerne auf ein Medium fest und das soll auch so bleiben. Eine von mir immer gern gewählte Inspirationsquelle ist zum einen die Literatur und zum anderen die Musik. Erich Fromm, einen Philosophen den ich sehr schätze, ziehe ich immer wieder zu Rate, wenn ich auf geistiger Ebene anstehe.

Was kann Kunst, das andere Disziplinen nicht können?
Ich glaube ich verstehe die Frage nicht ganz. Kunst hält ja rein auf der sprachlichen Ebene in allen Bereichen Einzug. Es gibt die Kochkunst, die Heilkunst, die Lebenskünstler_innen. Es beschreibt einen kreativen Prozess, um mit unterschiedlichen Situationen oder Bedingungen umzugehen, um an ihnen auf persönlicher Ebene und im Sinne der Fertigkeiten zu wachsen. Es ist ein schöpferischer Akt, eine eigene Sprache, der den Intellekt, die Sinneswahrnehmungen, die Emotionen ansprechen soll, um eine Erweiterung des Horizonts zu ermöglichen für den/die Künstler*In und die Betracher*Innen. Eine Auseinandersetzung im ästhetischen und verantwortlichen Sinne. 

Wie wird man glücklich?
Ich habe das Gefühl, glücklich zu sein ist das Ergebnis von mehreren Faktoren (und ich gehe hier von mitteleuropäischen Standards aus bei denen wir mit Trinkwasser versorgt sind und nicht Hunger leiden müssen): produktives Tätigsein, gesundheitliches Wohlbefinden, stabile Beziehungen zu Herzensmenschen, finanzielle Absicherung, ausreichend Ruhephasen, ein Dach über dem Kopf in dem man sich wohl fühlt – und das Bewusstsein für all das was man hat und die Dankbarkeit dafür. Neugierig bleiben und sein ist glaube ich auch sehr wichtig. Aber ganz ehrlich habe ich nicht das Gefühl, dass Glück lange wehrt. Wenn man die Missstände weltweit betrachtet, abgesehen von dem eigenen Kampf, den man so oft führt, kommt es unweigerlich zu Erschöpfungszuständen, Angst und Depressionen. Wir streben nach Kohärenz, sich im Einklang mit sich selber fühlen, angekommen sein. Sind wir bei dem glücklichen Zustand angekommen, kommt wieder ein Begehren auf, ein erneutes Ziel anzustreben. Ich denke, dass ständiges Glück kein erreichbares Ziel im Leben der Menschen ist, viel eher ist es ein sich ständig abwechselndes Auf und Ab, ob man jetzt alle oben genannten Faktoren erfüllt oder nicht. Der Mensch leidet an sich selbst, obwohl er im Wohlstand lebt. Wer Zufriedenheit erreicht und die missmutigen Zustände nicht zu tief hinunter fallen, kann sich schon ganz glücklich schätzen. Vielleicht braucht es einfach ein bisschen mehr Bescheidenheit, zumindest aus der Sicht der weißen, mitteleuropäischen, über der Armutsgrenze lebenden Frau, die ich bin und selbst von meiner Warte aus, gibt es genug Missstände, die mich unglücklich machen können! Ich kann diese Frage eigentlich nicht ausreichend bzw. Zu meiner Zufriedenheit beantworten. 

Wer Zufriedenheit erreicht und die missmutigen Zustände nicht zu tief hinunter fallen, kann sich schon ganz glücklich schätzen.

Womit verbringst du die meiste Zeit? 
Ich verbringe gerade die meiste Zeit damit mir Gedanken zu machen. Sei es über die Kunst, die Literatur, die ich lese, das Weltgeschehen, mich selbst und über die Menschen in meinem Umfeld. Ein weiterer Punkt ist der künstlerische Output an dem ich arbeite. Das vorankommen. Neue Wege gehen. Persönliche und künstlerische Weiterentwicklung. Ich habe gerade das Privileg viel Ruhephasen zu haben und die nutze ich auch ausgiebig. Wenn es das Wetter zulässt bin ich in der Natur. Ansonsten bin ich gerade auch viel in meiner Wohnung, auch aufgrund der derzeitigen Coronasituation – aber da bin ich auch wirklich gerne. 

Arbeitest du gerade an einem Projekt?
Ich arbeite immer an etwas. Gerade habe ich einen Videokontent-Kurs abgeschlossen und darauf möchte ich mich weiter konzentrieren. Die Ausstellung, die ich im Dezember geplant hatte, wurde jetzt leider abgesagt und so muss ich andere Mittel und Wege finden, sichtbar zu sein und in die Öffentlichkeit zu treten. Mit den Expertisen, die ich mir kürzlich aneignen konnte, kann ich neue Wege gehen und das fokussiere ich gerade. Auch in der Malerei tut sich gerade etwas an meiner Arbeitsweise und ich bin schon sehr gespannt, wie es sich weiter entwickelt. Außerdem plane ich mit meinem Partner zusammen eine Installation umzusetzen mit einer filmischen, akustischen und einer objektbezogenen Ebene. Alles sehr spannend, aber wann und wo dies gezeigt wird, kann ich noch nicht genau sagen, da Pläne und die Coronakrise gerade im Widerstreit stehen. Aber es wird früher oder später passieren. Man braucht mehr Geduld dieser Tage.

Carina Papouschekwww.carinapapouschek.com
Kunst ab Hinterhof
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