Wien Kunst
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Marko Zink im Interview

Marko Zink interpretiert in seinen Arbeiten das Thema der inszenierten Fotografie neu. Zum Einen gibt er dem Betrachter das Gefühl nur zufällig Zeuge eines, eben dieses „flüchtigen“ Moments geworden zu sein. Zum Anderen reinszeniert er Subjekte als Objekte und vice versa. Marko Zink fotografiert ausschließlich analog mit gekochtem Film; das daraus resultierende Zerfallen der Negative beschreibt er als gezielt konzeptuelles Einsetzen.

Wie beginnst du deine Arbeiten?
Meist durch Recherche und Theorien. Oft entlehne ich die Theorien aus anderen Genres wie Literatur. So fußen meine „tragödien“ auf den Theorien zur Komödie und Tragödie von Friedrich Dürrenmatt, vor allem auf den 21 Punkten zu den Physikern, die mein fotografisches Konzept aufspannen wie einen Trichter, wo dann alles reinfällt und konzentriert ein Ergebnis liefert, das mit dem Zufallsgedanken spielt: „Eine Geschichte ist dann zu Ende gedacht, wenn sie ihre schlimmst mögliche Wendung genommen hat. Die schlimmst mögliche Wendung ist nicht voraussehbar. Sie tritt durch Zufall ein.“ Nach Abschluss der Recherchen werden die notwendigen Requisiten angekauft, die Locations und Settings geortet. Vor jeder Aufnahme stehen Skizzen. Die Skizze der Einzelaufnahme, die Skizzierung der gesamten Serie. Schlussendlich bin ich es mit meinem Lebensgefährten, der mittlerweile auch mein Assistent ist, wo alle Kräfte zusammen kommen und für die jeweilige Serie gebündelt werden.

Friedrich Dürrenmatt: Eine Geschichte ist dann zu Ende gedacht, wenn sie ihre schlimmst mögliche Wendung genommen hat. Die schlimmst mögliche Wendung ist nicht voraussehbar. Sie tritt durch Zufall ein.

Deine aktuelle Ausstellung wurde am 3. September in der galerie michaela stock eröffnet. Was zeigst du? Kannst du uns mehr darüber erzählen?
Kannst du uns mehr darüber erzählen? Es handelt sich hierbei um das multimediale Projekt „in der Maschine“. Es treffen Fotografie (Fotoserie) auf Literatur (Elfriede Jelinek samt Vinyltonbildpostkarte) und auf Video (Video im leeren Schauspielhaus Graz). Für die Fotoserie selbst habe ich mit MaklerInnen Termine für Wohnungsbesichtigungen vereinbart und mir nach Beenden des Termins erneuten Zutritt zu den jeweiligen Wohnungen verschafft und mich in den dortigen Haushaltsgegenständen versteckt, unter anderem im Geschirrspüler oder im Kühlschrank. Zu dieser Serie hat mir Elfriede Jelinek einen Text geschrieben und diesen auch auf Band gesprochen, also tatsächlich vertont.

3314_28A, 2002! aus der Serie „in der maschine“ ! analoge Fotografie mit gekochtem Film! © marko zink! ! ! Assistenz: Gerd Franz Josef Winkler!
3314_28A, 2002, aus der Serie „in der maschine“, analoge Fotografie mit gekochtem Film, Foto: Assistenz: Gerd Franz Josef Winkler

Diesen Text habe ich in Kooperation mit dem Vinylograph auf eine sogenannte Vinyltonbildpostkarte schneiden lassen. Diese eckige Postkarte hat das Format a5, kann regulär mit der Post verschickt werden und in diese Postkarte ist quasi eine Single eingebaut, auf der Jelineks Text mittels Plattenspieler abgespielt werden kann. Während des zweiten Lockdowns habe ich im leeren Schauspielhaus Graz diese Vinyltonbildpostkarte auf der leeren Bühne des Hauses abgespielt und mitgefilmt: statt menschlicher Akteure betrat in Form eines Plattenspielers eine Maschine die Bühne. In der Galerie gibt es sowohl die Fotoserie als auch auch das Video zu sehen (und zu kaufen). Natürlich findet man dort auch die Vinyltonbildpostkarte, die als limitierte Edition mit einer signierten und gerahmten Fotografie von mir erhältlich ist. Somit wird auch die Vinyltonbildpostkarte selbst Kunstwerk.

limitierte Edition „in der Maschine“: „Vinyltonbildpostkarte“, 2021, Vinyltonbildpostkarte produziert von VINYLOGRAPH, Cover: 3314_28A, aus der Serie „in der Maschine“, mit einem vertonten Text von Elfriede Jelinek für Marko Zink

Hast du einen Führerschein?
Das ist eine lustige und gut recherchierte Frage offenbar. Nein, ich habe keinen Führerschein. Mein erstes selbstverdientes Geld an der Kasse beim Spar in Gaschurn floss in eine analoge Kamera mit der ich bis heute arbeite.

Woran arbeitest du gerade?
Momentan arbeite ich an 3 Serien, die allesamt 2022 (erst)präsentiert werden. So arbeite ich an Verformungen der letzten großen Serie „M 48° 15′ 24.13″ N, 14° 30′ 6.31″E“ über das ehemalige KZ Mauthausen. Diese werden 2022 im MSU in Zagreb gezeigt und wandern dann nahtlos zur christlich-jüdischen Zusammenarbeit in die St. Katharinenkirche nach Osnabrück und ans Forum am Dom weiter. 2023 ist selbige Serie im Landesmuseum Vorarlberg zu sehen.

Die Ansicht, 2018! aus der Serie „M 48° 15′ 24.13′′ N, 14° 30′ 6.31′′ E“,! analoge Panorama- fotografie mit ge- kochtem, gelochten und gefaltetem Film! ! © marko zink! ! Assistenz: Gerd Franz Josef Winkler!
Die Ansicht, 2018, aus der Serie „M 48° 15′ 24.13′′ N, 14° 30′ 6.31′′ E“, analoge Panoramafotografie mit gekochtem, gelochten und gefaltetem Film, Foto: Marko Zink, Assistenz: Gerd Franz Josef Winkler. Ort: Ansicht von Mauthausen Richtung Südwesten aus der Ferne. Technik: Die Negative wurde vor Belichtung mehrfach gekocht, gelocht und dann gefaltet. Konzept: Der Titel „Ansicht“ ist doppeldeutig: Einerseits sieht man Mauthausen von einem Hochsitz aus, andererseits starrt einen ein schwarzer Fleck an. Handelt es sich hierbei um die Historie, die uns mit ihrer Pupille im Blick hat, oder verhält es sich umgekehrt: Ist es der Betrachter, der den blinden Fleck der Historie erst erkennt?

2022 werde ich auch im Palais Thurn und Taxis in Bregenz gezeigt. Für diese Ausstellung arbeite ich gerade parallel an den Serien „Als die Tiere den Wald verließen“ und „Innerer Film“. Erstere beschäftigt sich mit dem Gedanken, was passiert, wenn Tiere zur Erwerbstätigkeit gezwungen werden weil sie sonst ausstürben. Letztere verarbeitet meinen bzw. den familiären Abschied von unserem Elternhaus, von dem wir uns 2020 trennen mussten. In diesem Haus wohnten 6 Schwestern, eine davon ist meine Mutter. Diese Schwestern haben mich sehr geprägt und übten einen ungemeinen Einfluss auf mich aus. Ihnen widme ich diese Serie. Für diese Serie arbeite ich ausschließlich mit Inprints auf und in Spiegeln. Wir alle sind nur Reflexionen, auch Abbild des Gegenübers, in dem wir uns nicht nur tagtäglich spiegeln, sondern wohl ein ganzes Leben lang.

Ingo Springenschmid schreibt:
Avantgarde der Fotografie. Marko Zink gehört zur Avantgarde der Fotografie, die dem Titel „Das Ende der Fotografie“ (Kunstforum Bd. 172, 2004) in seiner Wortwörtlichkeit ein Ende insofern abringt, als er sehr konsequent dieses Ende thematisiert. Marko Zink setzt der Bildregie der „inszenierten Fotografie“ eine sehr subjektiv motivierte, fast private Dinglichkeit entgegen, die nicht wie die inszenierten Standbilder in die Mechanismen eines Fotorealismus umgemünzt werden kann, sondern im Gegenteil dem Sujet der nature morte der abendländischen Kunstgeschichte eine poetische Dinglichkeit abringt, die nur für eine begrenzte Zeit den Auslöser dingfest zu machen scheint, das heißt, auch seine Auflösung, seine Entdinglichung beinhaltet. Dieses tätlich Werden setzt er dem Ende der Fotografie entgegen, aber nicht indem er sie dokumentiert, sondern indem er Geschehen gleichsam splittet, in Sätze zerlegt, nicht für Dokumentationszwecke verwendet, sondern um ein Alphabet zu entwickeln. Was abfällt, sich herausschält, sich nicht ordnen läßt, wird benannt und es entsteht etwas wie ein Werkkatalog der Dinge. Nicht sich selbst werden die einzelnen Partikel überlassen, im Gegenteil, sie werden zum Vehikel, um Marko Zink ad personam zu nennen und bleiben vom Stoff abgesondert. In der Dialektik subjektiv-objektiv, wobei das Subjektive zum Objektiven und das Objektive zum Subjekt wird, liegt für mich eine intellektuelle Leistung, die das Genre Fotografie vor neue Herausforderungen stellen könnte.

Marko Zink – www.markozink.com

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