Wien Kultur
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Schauspieler. Georg Rauber

Dem ORF-Schauspieler und Schriftsteller begegnete ich vor Jahren im verrauchten Cafè Kafka, wo starre Bilder von irren Dämonen unsere Konversation anstarrten. Als Schauspieler ist Georg Rauber bei der ORF Serie „Walking on Sunshine“ als durchgehende Rolle „Johannes Möttl“ im Fernsehen zu sehen, während Theaterstücke wie „Sommernachtsalptraum“ und die ORF-Serie „Dave“ zu dem schriftlichen Repertoire des vielfältigen Künstlers gehören. Das Interview fand in der Covid-19 Isolation telefonisch statt.

So, ich habe dich auch auf Lautsprecher gestellt damit ich mir die Zigarette anzünden kann.

Erzähl mal wer du bist.
Ich bin der Georg. Ich schreibe, weil Schreiben das ist, was ich kann und muss. Schauspiel ist das, was ich schon immer machen wollt. Es klingt so präpotent, mich selbst Künstler zu nennen. Künstler nennt man sich nicht selbst, sondern andere ernennen dich zum Künstler. Vielleicht ist das besser als sich selbst laut und arrogant Künstler zu nennen. Aber es hilft ja auch niemanden, wenn ich meine Identität verstecke. Mittlerweile habe ich mir den Mut angearbeitet und bin an einen Punkt, mich selbst ohne Gewissensbisse einen Künstler nennen zu dürfen.

Künstler ist der, der Kunst macht. Wenn du’s machst, dann bist du’s. Jemand, der fotografiert, ist ein Fotograf. Jemand, der schauspielt, ist ein Schauspieler. Publikum und Plattform ist der Unterschied zwischen einem Hobby-Künstler und einem Künstler. Alleine funktioniert es nicht wirklich. Kunst muss irgendwie immer eine Gemeinschaft sein. Aber grundsätzlich gilt: solange du es machst, bist du es. Und irgendwo muss man anfangen. Die künstlerische Perfektion ist ein Irrglaube von Leuten, die von außen reinschauen. Das Resultat wird in der Kunst stets glorifiziert, aber harte Arbeit und Fehler gehören dazu. Der Tischler verkauft keinen unfertigen Tisch. Meistens werden Fehler während dem Arbeitsprozess vom Publikum nicht wahrgenommen.

Die künstlerische Perfektion ist ein Irrglaube von Leuten, die von außen reinschauen. Das Resultat wird in der Kunst stets glorifiziert, aber harte Arbeit und Fehler gehören dazu.

Ich kann es mit dem Schreiben beschreiben. Am Anfang habe ich 90% Scheiße und 10% Gutes geschrieben. Mit der Zeit wurde ich besser. Aber die Scheiße geht trotzdem nicht weg. Sie wird nur weniger. Es ist wichtig, sich durch den Sumpf der Scheiße zu arbeiten. Neue Sachen zu probieren. Fehler werden, müssen und dürfen passieren. Anfangen und Fertigmachen ist das A und O.

Konstruktive (Selbst-)Kritik ist ein wichtiger Teil des Prozesses. Man muss davon lernen können. Menschen neigen zu Negativität und Selbsthass. Man darf der inneren Stimme nicht zu sehr Gas geben, den Dämonen nicht zu sehr lauschen. Die Stimme der Kritik wird immer da bleiben. Man muss sich überlegen, wie kann ich besser werden, nicht wie mache ich mich schlechter? Es geht um das Produkt und das Produkt muss besser werden. Im Endeffekt ist aber Kritik eine subjektive Sache. Wenn dir die Kritik was bringt, dann nütz sie und wenn nicht, dann weg damit. Nicht aufheben und sich darüber aufregen. Das ist Gift. Gift kann man rechtzeitig entsorgen – man muss es nicht trinken.

Ganz am Anfang bei den ersten Castings als Schauspieler dachte ich, ich pass’ wie die Faust auf’s Auge, habe mich mörder vorbereitet und bei Absagen war ich dann ganz verzweifelt. Selbsthassspirale – zack – liegt an mir – war schlecht. Nach einer meiner ersten Absagen kaufte ich mir eine Flasche Rum, setzte mich in einen Zug, fuhr auf’s Land und trank während der Fahrt die Flasche aus. Schließlich übergab ich mich in der Endstation auf einem Bahnhofsklo. Jetzt, wenn die Zusage kommt, denk ich mir leiwand. Man darf sich bei Absagen nicht fertig machen. Im Endeffekt ist was passiert. Du bist durch ein paar Meter Scheiße durchgewatet, aber du kommst deinem Ziel näher, den Diamanten im Meer der Scheiße zu finden. Man muss sich eine Hornhaut antrainieren. Gute Kunst ist mutig. Wenn du was Gutes schreibst, dann machst du dich emotional nackig. Es ist schwierig, sich so roh zu zeigen. Es braucht Mut zur Intimität. Mut ist eine Grundzutat bei allem, was man tut. Wenn man besser werden will, muss man sich etwas trauen. Veränderung braucht Mut. Der Vorteil ist, wenn man stetig mutig ist, dann ist das wie ein Muskel, den man trainiert. Durch die Routine wird das leichter. Aber wenn es etwas ist, was anderen etwas geben kann, dann ist es wichtig. Ehrlichkeit ist nicht leicht, aber ein Rezept für Kunst.

In meiner Jugend habe ich stapelweise A4 Blätter vollgeschrieben. Beim Durchlesen der Texte war 90% Scheiße drin, aber auch immer wieder kleine Diamanten. Wenn man dann so einen Diamanten findet, ist man irgendwie unglaublich dankbar. Man denkt sich „Das ist von mir? Das war noch nicht da. Das ist so ausdrucksstark. Wo kommt das her? Arg.“ Es ist ein Geschenk von dir an dich selbst. Als ob du einen Schatz gefunden hättest und dir denkst, der hätte doch schon längst entdeckt werden müssen – und dann findest du ihn. Grad du.

Schreiben war immer da und das muss einfach sein. Es ist eine Notwendigkeit für mich. Schauspiel ist für mich Auftragsarbeit. Ich erzeuge die Arbeit nicht selber, sondern bekomme einen Text von jemand anders. Mach was damit – mach mehr draus. Schreiben ist intim. Es ist automatisch deine Stimme. Schauspiel filtert die Arbeit von anderen. Schreiben ist zu 100% dein Blut, das auf Papier fließt. Bei Schauspiel blutet man gemeinsam, beim Schreiben alleine.

Ich glaube gute Kunst muss bluten können. Nicht dass es zu einer Hämorrhagie kommt, aber als Künstler gibt man etwas sehr Wertvolles von sich her.

Das hat schon fast eine Jesus Qualität an sich.
Oh je. Ich glaube gute Kunst muss bluten können. Nicht dass es zu einer Hämorrhagie kommt, aber als Künstler gibt man etwas sehr Wertvolles von sich her. Man offenbart seine Seele. Im Kurzfilm „Spellbound“ von Chiara Cavalli habe ich einen erfolglosen Autor gespielt, der von seinen inneren Dämonen geplagt wird. Da kam viel Persönliches von mir – viele Schatten – an die Öffentlichkeit. Manche wollen eher wie ein Künstler wirken als einer zu sein. Aber es geht darum, etwas Ehrliches zu erschaffen. Das ist der Zwiespalt zwischen dem Wunsch ein Rockstar-Poet-Leben führen zu wollen und dem, was dahintersteckt, wenn man etwas schreiben will, das wirklich Bedeutung hat. Es hinterlässt mehr, wenn du schmerzvolle Themen aus deinem Innersten anzapfst. Das kann manchmal Narben hinterlassen. Aber Narben finde ich sowieso cool. Es gibt das gegebene Menschliche, das wir alle haben und dann gibt es den Wunsch nach etwas Glitzerndem, etwas Anbetungswürdigem. Das, was wir alle haben und das, was wir alle wollen. Kunst ist gleichzeitig ein Wegweiser und das Ziel. Vor allem ist Kunst aber ein Zuhause. Manchmal mehr eine Höhle als eine Prunkvilla. Man muss nur den Mut haben, sein Innerstes zu entstauben und zu entdecken. Und wenn die Leidenschaft und das Feuer groß genug ist, warum nicht einfach probieren? Scheiß auf die anderen und mach was.

Danke für das Interview! Hast du deine Zigarette genießen können?
Es waren inzwischen schon zwei, ja. Ich zünde mir abschließend noch eine zelebratorische dritte Zigarette an.

Georg Rauber hat sich in der Corona-Krise der Herausforderung gestellt ein kleines Gedichtbüchlein anhand von Facebook-Kommentaren zu kreieren um in der Covid-19 Isolation mehr Gemeinschaft zu erschaffen. Das Resultat könnt ihr auf seiner Website kostenlos lesen.

Georg Räuber
https://www.facebook.com/GeorgRauberOfficial/