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Interview mit Christina Gruber

Christina Gruber ist Künstlerin & Gewässerökologin. Sie arbeitet an der Schnittstelle von Kunst & Wissenschaft. Ihre Arbeiten konzentrieren sich auf Wasser und dessen Fähigkeit Geschichten verschiedener Orte zu verbinden. Im Jahr 2018 veröffentlichte sie gemeinsam mit Paula Cohen das Buch FROM MUD TO OUTER SPACE, das entlang großer Flüsse navigiert und mithilfe spekulativer Narration Beziehungen zwischen verschiedenen Arten, alternative Formen der Fürsorge und ökologischer Resilienz erforscht.
Zugzwang installation view, Ars Electronica Festival, Foto: Matthias Nemmert
Zugzwang installation view, Ars Electronica Festival, Foto: Matthias Nemmert

Seit 2020 ist sie Teil des interdisziplinären Forschungsteams Zugzwang, das sich intensiv mit akustischer Ökologie und Sound Studies beschäftigt. Aktuell unterrichtet sie an der Universität für Angewandte Kunst in Wien und der Kunstuniversität in Linz.

Zugzwang. Videostill Christina Gruber
Zugzwang. Video still Christina Gruber

Wann warst du das erste Mal in Kontakt mit der Kunst?
Hm…schwierig zu sagen. Ich bin auf einer Tankstelle in Niederösterreich aufgewachsen, kulturell war da wenig los. Aber ich erinnere mich, dass wir jedes Wochenende meinen Bruder aus dem Internat abgeholt haben und die Barockkirche mit ihren fast schwarzen Gemälden eine enorme Anziehung auf mich hatten. Außerdem empfand ich die unzähligen Autofahrten mit meinem Vater durch die unterschiedlichsten Landschaften prägend, da sie wie in einem Film, fast choreographiert an uns vorbeizogen.

Womit beschäftigst du dich?
Ich beschäftige mich in meiner wissenschaftlichen wie künstlerischen Arbeit mit Flüssen und Landschaften im Übergang (Flüsse, Sümpfe, Moore, Auwälder, wassergekühlte Datenzentren). Seit mehreren Jahren ist die akustische Annäherung an diese Umwelten von großem Interesse für mich, da sie eine nicht-invasive Forschungsmethode darstellt und bis jetzt nur wenig über die Klangwelten von Flüssen bekannt ist.

Welches Element fasziniert dich am meisten?
Ganz klar Wasser. Ich liebe noch immer das Zitat von Bruce Lee in diesem Zusammenhang: „Empty your mind, be formless, shapeless — like water. Now you put water in a cup, it becomes the cup; You put water into a bottle it becomes the bottle; You put it in a teapot it becomes the teapot. Now water can flow or it can crash. Be water, my friend.” In den letzten Jahren habe ich an unterschiedlichen Flüssen gelebt, um die vielfältigen Beziehungen zu Wasser näher zu erforschen. Angefangen habe ich am Mississippi und nun bin ich wieder an der Donau gelandet, wo ich auch aufgewachsen bin.

Shapeshifters_Otolithen_2_ChristinaGruber
Shapeshifters Otolithen

Wie entstehen deine Arbeiten?
Meistens sind konkrete Orte oder Ereignisse Auslöser für das Entstehen neuer Arbeiten, wie zum Beispiel der geplante Bau eines wassergekühlten Datenzentrums in Kronstorf, Oberösterreich, oder die aktivistische Bewegung LOBAU BLEIBT für den Baustopp des Lobautunnels. Da ich die letzten Jahre viel im Ausland war, sind viele meiner Arbeiten dort entstanden und haben sich mit ortsspezifischen Gegebenheiten beschäftigt. Diese Arbeiten erfordern viel Zeit und ein Kennenlernen des Ortes, so wie der lokalen Communitites. Ich habe in den letzten Jahren unter anderem zum Landverlust im Mississippi, dem Kraftwerksbau an der Weichsel in Polen, dem Aussterben des Störs im Fluss Narva, Estland und der ersten Quantenteleportation an der Donau gearbeitet.

Gibt es wiederkehrende Elemente in deinen Arbeiten?
Neben Wasser generell, ist es definitiv die Beschäftigung mit unterschiedlichen Bodies of Water, dazu zähle ich auch unsere menschlichen Körper, aber besonders auch die Mehr-als-menschlichen Agenten in Form von Fischen, Algen, Steinen und Flechten. Mich interessieren spekulative Narrative, die sich mit bekannten Orten auseinandersetzen und neue Perspektiven aufzeigen und probieren Bekanntes neu zu verhandeln. Ein wichtiger Gefährte für mich die letzten Jahre war in dieser Hinsicht der Stör, ein lebendes Fossil, das vom Aussterben bedroht ist, obwohl er die letzten 200 Millionen Jahre fast ungestört in unseren Gewässern vorkommen konnte. Die intensive Auseinandersetzung mit einer anderen Spezies hat mir viel über gegenseitige Fürsorge beigebracht und die Dringlichkeit unterschiedlichste Ökosysteme zu schützen.

Im November hattest du eine Ausstellung mit dem Titel „Ökoton stories of wetlands and interstitial spaces“ im puuul space. Worum ging es in dieser Ausstellung?
Die Ausstellung navigiert entlang wässriger Übergangszonen. In der Ökologie nennen sich diese Bereiche Ökotone, sie sind der Ort an dem zwei Gemeinschaften aufeinandertreffen, ineinander übergehen, oder sich trennen. Ökotone sind ständig im Wandel, klare Grenzen verschwimmen. Die künstlerischen Arbeiten handeln von Feuchtgebieten, wie Auen, Sümpfen, Marschen, Mooren und Flussdeltas. Diese Flussuferzonen sind nicht nur aus ökologischer Sicht Hotspots für Biodiversität und wichtige Kohlenstoffspeicher, sie stellen auch häufig in Science-Fiction, Fantasy und Horrorgeschichten den Austragungsort für diverse Übergänge und Verwandlungen dar. In der Ausstellung treten mehrere dieser Ökotone raumübergreifend zum Vorschein und zeigen meine Auseinandersetzung mit diesen Lebensbereichen. Mehr-als-menschliche Akteure werden zu aktiven Kollaborateuren und klare Grenzen von Körpern lösen sich auf. Unsere Oberflächen stellen sich als porös, transpirierend, absorbierend und freisetzend dar. Die Arbeiten führen vom Mississippi Delta über die Donau bis zu wassergekühlten Datenzentren.

2022 neigt sich zu Ende. Dein persönliches Fazit:
2022 war ein spannendes Jahr für mich, ich konnte das Projekt, Shapeshifters, realisieren, das sich mit Otolithen, Gehörsteinen, und Flüssen beschäftigt. Es ist Teil von SUPER NATUR – Kunst am Iron Curtain Trail von Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich. Die interaktive Audioskulptur und Intervention befassen sich mit dem Zuhören und der vielschichtig verzweigten Geschichte von Flüssen. Außerdem konnte ich aufgeschobene Projekte und Residencies aus den letzten zwei Jahren nun endlich nachholen, das war stressig aber auch sehr zufriedenstellend. Wichtig war für mich auch die Entscheidung wieder mehr kollektiv zu arbeiten und die gegenseitige Unterstützung mit meinen Künstlerkolleginnen untereinander.

Christina Gruber in Ausstellung ÖKOTON. Foto: Sarah Tasha Hauber
Christina Gruber in Ausstellung ÖKOTON. Foto: Sarah Tasha Hauber

Woran arbeitest du gerade?
Wir beginnen gerade ein künstlerisches Forschungsprojekt, das sich mit der Lobau auseinandersetzt. Unser interdisziplinäres Team begibt sich auf eine experimentelle Vermessung der Auen zwischen Donaustadt und Hainburg. Das Projekt verknüpft kulturwissenschaftliche, künstlerische, und umweltgeschichtliche Ansätze und sammelt historische, persönliche, sozial- und verkehrspolitische sowie ökologische Fakten, Erzählungen und Eindrücke, die an diesen spezifischen Raum geknüpft sind. Ich freue mich sehr auf dieses Projekt mit Julia Grillmayr und Sophia Rut, da wir uns aufgrund unserer Beziehung zu diesem spezifischen Ort gefunden haben.

Christina Gruber – www.christinagruber.net, www.instagram.com/christinatgruber/