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Interview mit Max Freund

Max Freunds Kosmos ist der Inbegriff des Multivalenten. Ob in Material, Technik, Konzept oder kunsttheoretischem Überbau – Freund schreitet in jedem dieser Aspekte das Maximalspektrum aus und offeriert dem Betrachter ein mehrperspektivisches Schauen. (Text: Paula Watzl, 2021)
Installationsfotos (c) Andrew Phelps & Elektrohalle Rhomberg
Max Freund – Lieber Gott, ich kann nicht mehr. Ausstellungsansicht: Andrew Phelps, Elektrohalle Rhomberg

Es ist eine Beschau zahlreicher Gesichtspunkte direkt aus dem Leben heraus gedacht, so wie Freund auch unmittelbar aus dem Alltäglichen Material schöpft. Wenn er etwa ein Bettlaken zum Malgrund umwidmet, einen Putzfetzen vernäht oder bedrucktes Papier auf Leinwand kaschiert, um zwischen Zeichnung und Malerei ein neues Mittelfeld herauszuarbeiten. Das akribische Sammeln und Neudefinieren von Material ist essentiell im Werk Freunds, das Herausarbeiten der Potenziale aus dem scheinbar Unscheinbarem wesentlich. (Text: Paula Watzl, 2021)

Portrait (c) Tobias Ludescher
Portrait (c) Tobias Ludescher

Wo findest du deine Inspiration? Auch im Alltag?
Überall, das überfordert aber auch schnell. Es kommt dann immer darauf an welche Filter ich an- oder ausschalte. Ich denke, man lernt das früher oder später gezwungenermaßen als visuell orientierte Person. Ich kann mich zum Beispiel für kleine Plastikteile oder Autowerbekarten auf dem Gehsteig begeistern, für Häuserfassaden und Türen, Schuttcontainer, fremde Orte, Personen oder Geschichten. Auch alte Stoffe, Fruchtnetze, Fließen oder Steine kommen in meine Sammlung .. die Liste ist lang und mir selbst manchmal unangenehm, aber das ist ok. Das relativiert sich ganz schnell, weil mir all diese Gegenstände unglaublich tolle Momente und Ideen geben. Früher kannte ich definitv keinen Halt, habe unter anderem riesige sperrige Wellbleche, endlos viele abgelöste Werbeplakate, Straßenschilder oder ausgemusterten Elektromüll in Kisten gestapelt gelagert.

„crack rock“ / Öl und Acryl auf Leinwand / 250 x 180 cm / 2018
crack rock, 2018,Öl und Acryl auf Leinwand, 250 x 180 cm

Mein Studio war immer voll mit unterschiedlichsten Sachen – ist es heute noch – aber, ich bin über die Jahre wesentlich selektiver und ordentlicher geworden. Was geblieben ist, ist die Liebe zu Musik, Büchern, Papieren und Stoffen. Diese Dinge brauche ich um mich. Die Tätigkeit des Sammelns konfrontiert mich ständig mit den Überresten der Außenwelt. Es erinnert mich daran, dass es mehr als die sterile BildBildsituation gibt und das ein Studio kein geschlossener Raum ist. Eine weitere Inspiration sind natürlich auch mein Freundeskreis und alle anderen KünstlerInnen die es vor uns gab. Letztens habe ich beispielsweise wieder Kiki Kogelnik und Hilma AF Klint ausgegraben – wow!

Mit welcher Technik arbeitest du hauptsächlich?
Öl und Acryl sind all-time-favorites. Aber alles was Spuren hinterlässt ist super. Bilder beginne ich ganz unterschiedlich. Sie sind nicht Technik-, sondern eher Material- und Ideenbasiert. Manchmal gibt es Skizzen, manchmal nicht. Für die großen Stoffmalereien, arbeite ich zum Beispiel meistens am Boden, lege, klebe und zerschneide Teile, um sie dann später zusammenzunähen. Grundsätzlich mag ich es an mehreren Dingen gleichzeitig zu arbeiten und zwischen Klein- und Großformaten, Papier, Stoff, Holz oder anderem wechseln zu können. Die Abwechslung gibt mir die meiste Dynamik in der Studioarbeit.

„bud“ / Öl, Acryl und Stoff auf Holz / Künstlerrahmen / 81 x 61 cm / 2015 - 2021
bud, 2015 -2021, Öl, Acryl und Stoff auf Holz, Künstlerrahmen; 81 x 61 cm

Und wo malst du am liebsten?
Das Atelier ist ein zurückgezogener und gemütlicher Ort, aber im Sommer auf der Donauinsel zeichnen ist genauso gut.

Was ist eine Frage, die dich gerade bewegt?
Mich beschäftigt schon länger die Frage nach Zeit und Gleichzeitigkeit. Zeit als Maßstab und Wert. Ich habe in den letzten Monaten eine ganz neue Zeitwahrnehmung erfahren, im positiven und negativen Sinn. Das kommt wahrscheinlich auch mit dem Älter werden und dem Zurückschauen. Ich versuche jedenfalls in der Malerei Zeit als etwas Distanziertes und gleichzeitig Momentanes wahrzunehmen, im Alltag überrollt sie einen ja meistens einfach nur ohne Rücksicht.

Erzähle uns mehr über deine Solo-Ausstellung in der Elektrohalle Rhomberg. Wie war deine Herangehensweise?
Die Einladung zur Solo Ausstellung kam relativ kurzfristig und ich hatte keine ewig lange Vorlaufzeit, was es umso reizvoller gemacht hat. Die Raumgröße und Installationsmöglichkeiten sind sehr besonders in der Elektrohalle Rhomberg, aber nicht unbedingt einfach. Es war zwar von Anfang an der Plan, mit großen Stoffmalereien und unaufgespannten Bildern zu arbeiten, tatsächlich bin ich erst zwei Monate vor der Ausstellung das erste Mal vor Ort gewesen. Das hat einiges am ursprünglichen Plan geändert: Auf der langen Wand mit den Oberlichten war klar, da müssen die vier großen Bilder der Serie „Lieber Gott, ich kann nicht mehr“ hin. Das hat den Ausstellungstitel auch gleich fixiert. Ich muss dazusagen, der Titel hat aber nichts mit unserer derzeitigen Situation zu tun. Er bezieht sich eher auf die Frage menschlicher Fähigkeiten und auf Leistungsdenken. Die Serie ist von 2019 und wurde davor nie ausgestellt, weil ich immer im Kopf hatte, dass die Bilder nebeneinander hängen müssen. Wie in einer Zeile, aber in beide Richtungen zu lesen. Die Wand misst 20 Meter, ein Bild 210 x 250 cm. Die Bilder brauchen gezwungenermaßen Platz und fordern ein kontemplatives Betrachten. Das war perfekt in der Elektrohalle.

Als Gegenpol mussten dann zwei Stoffinstallationen her, die vorhandene Raumelemente verdecken und die Größenverhältnisse weiter verändern. Das eingebaute Holzdisplay wurde zum Beispiel auf der eine Seite mit einer 2,80 x 6 Meter Malerei verdeckt, auf der anderen Seite waren symmetrisch gehängte, gerahmte Malereien auf Papier zu sehen – wie in einem Setzkasten. Im Eingangsbereich war die Serie „Specimen“ im Karomuster installiert, was etwas weniger monumental, aber dafür verspielter wirkte. Ziel war es auf jeden Fall den Raum trotz seiner Größe nicht zu überladen. Dadurch hat sich der Rest ergeben. Auch Paula Watzl hat mich während den Vorbereitungen im Atelier mit langen Gesprächen unterstützt und einen super Ausstellungstext geschrieben.

„specimen 2“ / Öl und diverse Stifte auf Papier auf Leinwand / Künstlerrahmen / 120 x 85 cm / 2021
specimen 2, 2021, Öl und diverse Stifte auf Papier auf Leinwand, Künstlerrahmen; 120 x 85 cm

Was kommt als Nächstes?
Planbarkeit ist ja leider noch immer ein schlechtes Thema, aber es steht noch eine oft verschobene Kollaboration mit einer Möbelmanufaktur aus Deutschland an, ein Residency und ein paar Ausstellungs- und Buchprojekte. Und hoffentlich ein langer Sommer.

Max Freund – www.maxfreund.at, www.instagram.com/maxfreund1