Wien Kunst
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Interview mit Benjamin Thiele

Benjamin Thiele, geboren am 14. Juni 1991 in München, lebt und arbeitet seit mehreren Jahren in Wien und Linz. Seit 2017 studiert er Bildhauerei an der Kunstuniversität Linz in der Klasse von Gelitin unter Prof. Tobias Urban und Ali Janka. Parallel dazu arbeitet er seit 2014 gelegentlich bei Markus Hofer. Seine Arbeiten beziehen sich meist auf Alltagsgegenstände die durch minimale Eingriffe verändert werden, und dadurch eine neue Bedeutung bekommen.

So wird aus einem Rohr, einer Tasse, und einem Löffel, der sogenannten „(R)Ohrlöffel“. Oft durch Wortspiele verbundene, aber nicht koexistierende Gegenstände werden in einem neuen Bild dargestellt. Aber auch konzeptuelle Arbeiten wie das „Stuhlbein“ sind für den Künstler eine Form der Ausdrucksweise und Darstellung.

künstler interview linz Benjamin Thiele
Künstler Benjamin Thiele

Wie bist du zur Kunst gekommen? Warum Kunst?
Angefangen hat das ganze eigentlich recht früh, als ich als Kind mit Bruder bei meinem Großvater, der als Schreiner gearbeitet hat, in dessen Werkstatt irgendwelche Dinge zusammengebastelt habe. Natürlich konnte ich damals noch nicht sagen, dass ich irgendwann in der Kunst landen würde. Aber ich glaube, dass es einen doch prägt und etwas mit auf den Weg gibt, wenn man schon früh die Möglichkeit hat, sich in einer Werkstatt auszutoben. Die darauffolgenden Jahre meiner Kindheit verliefen etwas zäh (als eiserner Schulverweigerer hat man es oft nicht leicht), und ich konnte und wollte nicht ganz verstehen, wieso ich jetzt nicht mehr „Spielen“ darf, und Zahlen zusammenzählen sollte. Das ergab alles keinen Sinn für mich. Es gab schon immer mehr für mich. Nur konnte ich nicht ganz fassen, WAS genau das ist. Durch zahlreiche Praktika, gescheiterte Versuche, eine Ausbildung abzuschließen, und einer komplett gescheiterten Schulausbildung, habe ich dann endlich herausfinden können, was Kunst ist. Damals hatten Freunde von mir schon an der Akademie in München studiert, und ich besuchte sie regelmäßig in ihren Ateliers. Ich lernte, wie viele Möglichkeiten man hat, sich anderweitig zu betätigen; in meinen Augen etwas Sinnvolles zu leisten! So kam es dann natürlich auch bald, dass ich endlich meine erste digitale Spiegelreflexkamera bekam, und nahezu unermüdlich den abstrusesten Scheißdreck fotografiert habe – ohne zu wissen was genau ich da tue. Aber mir war klar, dass das jetzt total Sinn macht. Und mir war klar, dass ich der neue Fotograf des Jahrhunderts werde. Die erste Absage der Akademie hat nicht lange auf sich warten lassen… egal, weiter geht’s! Durch diese Absage bin ich dann zum IMAL (International Munich Art Lab) gekommen. Mir ist nach der Abholung meiner Mappe jemand hinterhergelaufen, und hat mir empfohlen, mich dort zu bewerben. Also gut, mach ich! Dort wurde ich dann tatsächlich angenommen. Das IMAL ist ein Ort, an dem man die Möglichkeit hat, sich ein Jahr lang in allen möglichen künstlerischen Feldern auszuprobieren, unter Betreuung von verschiedenen Dozenten, die selbst auch eine künstlerische Laufbahn hatten. Dort habe ich dann auch recht schnell die Kamera abgelegt, und bin auf die Idee gekommen, der größte Maler zu werden, den die Welt je gesehen hat! Also habe ich gemalt, wie ein Weltmeister, ohne zu wissen, was ich da überhaupt mache.

Nach meinem ersten Besuch bei der Biennale in Venedig wurde mir klar, dass ich Malen für mich persönlich, als mein Medium scheiße finde, was nicht heißen soll das ich die Malerei im Allgemeinen schlecht finde.

Im Gegenteil! Weil ich Skulpturen von verschiedenen, mir damals unbekannten Künstlern, gesehen hatte (ich wusste damals nicht so recht über Skulpturen Bescheid) ist mir klar geworden, das ist mein Medium. Ich habe daraufhin im IMAL ein Schweißgerät angefordert. Das kam dann auch recht schnell, und somit auch meine erste Skulptur, aus Stahl. Ich habe seitdem, das sind jetzt fast sieben oder acht Jahre, nichts anderes mehr gemacht, außer Skulpturen gebaut. Anfangs riesig, 13m lang, 5m breit… ein totaler Irrsinn, wenn man sich überlegt, wo man den ganzen Krempel lagern soll. Aber damals ging das gut, weil wir einen Lagerplatz hatten. Beziehungsweise, ich habe diese Skulpturen solange wieder zerlegt, und neue Skulpturen daraus gebaut, bis kein Stahl mehr da war… Nach meinen zwei Jahren im IMAL (ich durfte noch ein Jahr länger bleiben, weil ich an keiner Uni genommen wurde, und nicht recht wusste wohin mit mir), folgten weitere unzählige Bewerbungen und Absagen an Universitäten, ein eher ernüchternder Beigeschmack. Aber das war mir egal, denn ich hatte ja endlich die Bildhauerei, immer bei mir… Wie ein Ohrwurm, den man nicht los wird, nur das ich diesen Ohrwurm auch gar nicht loswerden wollte. Bis heute nicht. Mittlerweile denk ich gerne über die ganzen Phasen nach, die ich so durchlaufen habe, die vielen Orte an denen ich gearbeitet hab, und oft auch nicht gearbeitet hab – ohne Ahnung, wohin das führen soll, aber immer überzeugt davon, dass es sicher was bringt! Natürlich habe ich über die Jahre gelernt, mit Kunst ganz anders umzugehen, darüber zu sprechen, eine Art zu finden sich auszudrücken, und Materialien bewusster auszuwählen. Ich probiere nach wie vor viel aus. Aber ich glaube, es nimmt langsam eine Form an.

künstler interview linz Benjamin Thiele
Kreislauf, 250x250x250 cm Bathtubes, Steel

Wie sieht ein typischer Tagesablauf bei Dir aus?
An sich ist mein Tagesablauf relativ geregelt. Ich steh in der früh auf, trink meinen Tee, und geh dann ins Atelier. Ich schau, dass ich immer so gegen 11:00 Uhr im Atelier bin. Um 13:00 Uhr mach ich kurz Mittagspause, geh was essen, oder mach einen Mittagsschlaf, wenn ich ganz müde bin. Aber nicht zu lang! Danach arbeite ich wieder zwei Stunden, dann mach ich meistens nochmal kurz Pause. Und dann arbeite ich nochmals zwei drei Stunden bis 18/ 19:00 Uhr. Meistens gibt es dann noch ein Feierabendbier, was die momentane Situation aber leider nicht so hergibt. Also geh ich meistens heim, und mach noch Bürokram. Natürlich gibt es hier und da mal Abweichungen. Aber ich versuch schon eine gewisse Struktur für mich beizubehalten, ich neige sonst dazu fahrlässig zu werden, und dann bleibt soviel liegen… So sieht mein Tagesablauf aus, wenn ich in meinem Atelier an der Uni arbeite, und so ähnlich sieht der Tagesablauf auch aus, wenn ich gelegentlich beim Markus Hofer im Atelier arbeite. Bis auf den Mittagsschlaf – der fällt weg, wenn ich beim Markus arbeite.

Wem zeigst Du als erstes ein neues Werk?
Das ist bei mir immer sehr unterschiedlich. Oft rede ich mit Leuten aus der Uni darüber, oft zeig ich es aber auch zuerst dem Markus, oder schicke es an Freunde. Ich finde es auch oft interessant, es Leuten zu zeigen, die mit Kunst nichts zu tun haben. Da bekommt man oft interessante Einblicke und Antworten. Allerdings die endgültige Entscheidung, liegt dann doch bei mir.

Was nimmt Einfluss auf deine Kunst? Welche Themen greifst Du auf?
Genau genommen beeinflusst einen ja alles, jedes angreifen eines Materials, jedes Gespräch über verschiedene Arbeiten oder einen Gegenstand, nimmt Einfluss auf einen. Wenn man sich dessen bewusst ist, muss man anfangen auszusortieren, und sich auf eine Sache konzentrieren, denn man kann nicht alles verarbeiten, was man sieht oder wahrnimmt. Zumindest nicht auf einmal, oder in einer Arbeit. Man kann sich also in eine gewisse Sache aus unzähligen Informationen vertiefen, und daraus was generieren. Mich beeinflussen unzählige Dinge, gerade weil ich oft mit Alltagsgegenständen arbeite. Also muss ich mir immer überlegen, welcher Gegenstand macht Sinn weiter damit zu arbeiten, sich zu informieren, wo vielleicht sogar der Ursprung in diesem Gegenstand liegt, woraus besteht dieses „Ding“ überhaupt. Oft passiert es aber auch, dass ich einfach nur dasitze und nichts tu, und plötzlich kommt mir eine Idee, die vielleicht auf etwas zurück zu führen ist, die mit einer vorherigen Handlung einen Zusammenhang knüpfen kann, man aber nicht mehr weiß, was genau der Auslöser für genau diese eine Idee oder Handlung in dem Moment ist oder war. Die Sache mit dem „Einfluss“ ist eine komplizierte Angelegenheit… Jedoch die meisten Themen, die ich aufgreife, sind oft gar keine tiefsinnigeren Themen, sondern eher ein Versuch, gewisse Alltagsgegenstände in ein neues Licht zu rücken, ihres Zweckes zu entfremden, oder gar eine komplett neue Funktion zu verleihen. Oft eben durch Wortspielerei, oder eben dadurch, dass ich das Wort und dessen eigentlichen Bedeutung zerlege, und neu darstelle, es anders wahrgenommen wird. Nicht immer natürlich, aber das ist derzeit ein Thema, mit dem ich mich befasse. Früher waren das andere Themen, wie zum Beispiel zu dem Müll den wir produzieren. Also auch oft gesellschaftskritische Arbeiten.

Aber davon bin ich ein wenig weg, weil ich finde Kunst muss nicht immer und ausschließlich gesellschaftskritisch sein. Außerdem habe ich mich so lange damit befasst. Ich will auch noch andere Themenbereiche bearbeiten und mich weiterentwickeln.

künstler interview linz Benjamin Thiele
Dumm wie ein Ziegel (thick as a Brick) 25x12x22 Brick, Cup, Plaster, Varnish, Steel

Wie entstehen deine Kunstwerke?
Die meisten meiner Arbeiten basieren eigentlich auf einer konkreten Idee. Ich kann oft Stunden oder Tage einfach nur dasitzen, und darüber nachdenken was meine nächste Arbeit sein könnte. Ich bin also unterwegs, oder sitz zuhause, und aus einem Gespräch heraus können ganz interessante Dinge entstehen. Oder man sieht etwas und denkt sich „Aha, dass ist interessant. Das muss ich verarbeiten.“ Wenn ich etwas sehe, was mich anspricht, auf der Straße oder sonst wo, dann kommt mir meistens schon eine Idee, wie das am Ende aussehen könnte. Oft mach ich dann kleine Skizzen (ich muss dazu sagen, dass ich ein ganz mieser Zeichner bin) die dann nur ich verstehen kann. Oft aber geh ich auch einfach ins Atelier und leg einfach los. Wodurch ich dann auch oft feststelle, dass das alles gar nicht funktioniert. Und während ich das feststelle, hat mich der Prozess schon wieder auf einen ganz anderen Weg gebracht, und ich habe eine komplett andere Skulptur vor mir, als ich dachte das sie auszusehen hat. Ich glaube das hat auch etwas mit eben dieser Wahrnehmung oder dem Einfluss zu tun, über den wir weiter oben schon gesprochen hatten. Oft passiert es mir auch, dass ich nachts Skulpturen träume. Das sind aber meistens Skulpturen, die sich aus finanziellen Gründen gar nicht umsetzen lassen. Noch nicht… Aber das macht nichts. Ich habe alles in meinem Buch. Fertige Skulpturen, die irgendwann umgesetzt werden können. Viele Skulpturen jedoch sind aus einem gewissen Diskurs zwischen Material und Darstellung entstanden. Wie zum Beispiel eine alte Arbeit von mir, die „Dosen“ ein Haufen alter Alu Dosen, bunt lackiert und irgendwie zusammengeklebt, als Zeichen dafür, wie großartig dämlich wir mit unserer Welt umgehen, und was für ein buntes Treiben wir führen. Mit unserem ganzen Müll.

Ein paar Sätze zu deinem aktuellen Projekt.
Derzeit arbeite ich an einer Skulptur aus MDF und Polyester. Nicht zu groß. Das mit den riesigen Skulpturen habe ich ein bisschen abgelegt. Nicht aufgegeben, aber derzeit interessiert es mich mehr, kleinere Skulpturen zu bauen. Das war ohnehin ein Kampf für mich. Ich habe mich schließlich immer dagegen geweigert kleine Skulpturen zu bauen, ein überzeugter „Brachial-Künstler“. Aber seit ein paar Jahren habe ich Gefallen daran gefunden. Es ist einfach praktisch, man kann seine Arbeit unter seine Arme nehmen, in die U-Bahn steigen, und eine Ausstellung machen. Wenn der Raum es aber hergibt, kann es schon zu Auswüchsen kommen. Das kommt auf die Situation drauf an. Allerdings kann ich über meine derzeitige Skulptur, an der ich momentan arbeite, noch nicht viel sagen, weil sie noch nicht fertig ist. Außerdem arbeite ich ein wenig an meiner „Online Präsenz.“ Ich habe es doch tatsächlich fertiggebracht, mir endlich eine Website einzurichten www.benjaminthiele.com

Das war ebenfalls nahezu ein Lebensprojekt. Das Ganze hat geschlagene 10 Jahre gedauert, bis ich endlich mal damit angefangen habe. Jetzt ist es soweit. Und Instagram habe ich auch aktiviert. Da habe ich auch lange überlegen müssen. Ansonsten arbeite ich vor mich hin. Da das mit den Ausstellungen ja gerade etwas schwierig ist, sind alle geplanten Ausstellungen erstmal verschoben. Aber das passt gut für mich. Wenn das alles vorbei ist, habe ich viele neue Arbeiten, die gezeigt werden können.

Benjamin Thiele – www.benjaminthiele.com