Wien Kunst
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Interview mit Daniela Trinkl

Daniela Trinkl hinterfragt in ihrer künstlerischen Praxis Themen der Ambiguität und des Rätselhaften und setzt sich intuitiv mit Materialien unserer Zeit auseinander. Fasziniert vom Objekthaften, dessen Zweck und Verwendung nicht unmittelbar erkennbar ist, entwickelt sie ihre skulpturalen Arbeiten. Diese sind von einer Vielschichtigkeit, einer Verwobenheit von Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart geprägt und bieten Raum für eigene Assoziationen.
Artist Portrait, Daniela Trinkl
Artist Portrait, Daniela Trinkl

Geheimnisvoll schweben abstrakte Formen vor einem schwarzen Hintergrund, treten durch ihr buntes, künstlich anmutendes Erscheinungsbild prägnant hervor und referieren so auf eine vielleicht bereits vergangene, unwiederbringliche oder kommende, noch nicht besuchte Welt. Die Entscheidung des zeitlichen Verweises lässt sich nicht ohne Weiteres treffen, ob Vergangenheit oder in der fernen Zukunft liegend, spielt letzten Endes weniger eine Rolle als die unabdingbare Distanz zum Referenzpunkt, der in der gegenwärtigen Welt als fremd, ja gewissermaßen mystisch, anmutet. Diese zeitliche Dimension der Objekte lässt einen breiten Interpretationspielraum zu, so könnten diese zum Beispiel archäologische Funde sein, eine mögliche Verwendung in rituellen Praktiken finden oder obskure Symbole einer anderen Welt darstellen, aufgeladen mit Geschichte und Handlung. Wie schon der Titel „Relics“ suggeriert, sind es Relikte, die die Frage aufwerfen, was gewesen war und was gewesen sein wird.

Dies spiegelt sich auch in der Präsentationsform der Objekte wider. Die Künstlerin setzte sich hierfür eingehend mit Ausstellungstechniken auseinander und wählte schließlich eine Form, die im musealen Kontext, besonders in ethnographischen Institutionen, wie dem Weltmuseum Wien, Verwendung findet. So werden die 29 abstrakten, in ihrer Größe variierenden (max. 30 x 15 cm), zum Teil aus Verpackungsmaterial hergestellten Gegenstände auf Metallstifte vor einem dunklen Hintergrund fixiert, der als Kontrast zu der farblichen Vielfalt dient. Mit einer Gesamtgröße von 130 x 170 cm umfasst die Installation „Relics“ Objekte, die sich in Größe, Form, Farbe sowie Material unterscheiden. Bei der Herstellung einiger Formen greift Trinkl teils auf gesammeltes Verpackungsmaterial, das sie in ihrer Ästhetik, Textur und Haptik anspricht, zurück. Weiters verwendet sie so genannten Montage- oder Bauschaum, ein Material, das heutzutage vor allem im Bauwesen Einsatz findet. Sobald der Schaum austritt, entwickelt dieser ein eigenes Leben, lässt sich aber im trockenen Zustand gut zurechtschneiden und erinnert in seiner Porosität an Organisches. In einem weiteren Schritt versieht die Künstlerin die Formen mit Schnüren, zurechtgeschnittenen Müllsäcken sowie Tixo- oder Kreppklebebändern und lässt die so entstandenen Objekte zu Requisiten einer mystischen Welt werden. Mit diesen zeitgenössischen Materialien schafft Trinkl eine Verbindung und Verhaftung zum Hier und Jetzt. Die Abstraktion und Künstlichkeit der Objekte werden hierdurch unterstrichen und werfen die Frage der Symbolhaftigkeit sowie der Unterscheidung zwischen Realität und Fiktion auf.

Die Pluralität der montierten Objekte gibt dem Betrachtenden die Möglichkeit das Kunstwerk mannigfaltig zu deuten. Manche eröffnen durch ihr schwammartiges Erscheinungsbild vegetabile Assoziationen, andere wiederum lassen sich in ihrer Ausgestaltung in einem erotischen Kontext verorten. Vereinzelt werden eigene Motive aufgenommen, wie etwa Gedanken zur Metamorphose, die von einer Figur, die an einen vor kurzem entpuppten Schmetterling erinnert, spielerisch thematisiert wird. Die Künstlerin sieht sich mit dem Material in eine Art Dialog treten, der Raum für Experimente zulässt sowie Faszination in ihr auslöst, und manifestiert durch die eingehende Beschäftigung, wie auch durch die Wiederholung in der Tätigkeit des Einwickelns, eine gewisse Mehrdeutigkeit. So testet sie Grenzen aus und öffnet einen Diskurs für weitere Auslegungen. Außerdem entsteht durch das Einwickeln des Materials eine intransparente Schicht, die das Innenleben der Gegenstände umhüllt und versteckt. Der Kern der Sache ist nicht einsehbar und kann nicht ohne Weiteres identifiziert werden: er bleibt also fremd. Aus dieser Perspektive kristallisiert sich die Nähe der zeitlichen und materiellen Aspekte des Werks heraus, so verweisen sie auf ein uneinsichtiges, unzugängliches und obskures Inneres. Die in „Relics“ dargestellten Objekte bieten sich in ihrer Fremdheit als Relikte für ein kryptisches Moment an, das interpretativ von den Betrachtenden ausgelegt und nachgesetzt werden kann. Als Überbleibsel einer sowohl vergangenen oder kommenden Welt als auch in ihrer Materialität eröffnen die Gegenstände einerseits in ihrer archäologischen Distanz und andererseits materiellen Nähe zur Gegenwart einen Zugang auf die Fragestellungen, was gewesen war bzw. was gewesen sein wird in diesem Jetzt.

Daniela Trinkl – www.danielatrinkl.com


Über die Autorin: Paula Marschalek, BA MAS ist eine österreichische Kunsthistorikerin und Kulturmanagerin. Sie studierte Kunstgeschichte an der Universität Wien und setzte ihre Ausbildung an der Universität für angewandte Kunst fort, wo sie ihren Master in Kunst- und Kulturmanagement abschloss. Sie arbeitete in renommierten Kunstinstitutionen wie dem Dorotheum und dem Kunsthistorischen Museum, sammelte Erfahrungen am Kunstmarkt als Kommunikations-managerin bei der Galerie Rudolf Leeb und absolvierte von September 2019 bis März 2020 ein Kulturmanagement-Stipendium im MAK Center in Los Angeles, USA. Sie schreibt als freie Autorin für Magazine mit dem Schwerpunkt Kunst und Kultur, kuratiert Ausstellungen und moderiert. Mit Marschalek Art Management entwickelt sie individuell zugeschnittene Kommunikationsstrategien für Kunst- und Kulturschaffende.