Wien Kunst

Pablo Chiereghin. Riot design 21/22

In seinem Projekt „RIOT DESIGN“ zerstört Pablo Chiereghin mittels inszenierter Gewaltaktionen Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs. Anschließend setzt er die kaputten Teile zu neuen Objekten zusammen, deren Funktion jener des ursprünglichen Gegenstandes entspricht oder davon abweicht.
Pablo Chiereghin, Riot Design 21-22, 2021, Sammlung Friedriechshof Stadtraum, Ausstellungsansicht
Pablo Chiereghin, Riot Design 21-22, 2021, Sammlung Friedriechshof Stadtraum, Ausstellungsansicht

Der kreative Akt, das Schaffen von Neuem, setzt im Sinne des Künstlers also die Zerstörung des Gegebenen voraus. Damit bietet Pablo Chiereghin eine allgemein politische Leseart seiner Arbeit an. Beschränken wir die Interpretation seiner Aktion auf den Kunstbetrieb, erkennen wir darin eine subversive Form der ideellen wie auch kommerziellen Aufwertung: Aus herkömmlichen Objekten werden Kunstwerke mit potenziell höherem Marktwert. Multimedial ausformuliert vereint „RIOT DESIGN“ Konzeptkunst, Performance, Video, Skulptur und kritisches Design. Konsumkritik ist dem Projekt ebenso inhärent wie die Reflexion über Kunst, Design und die Rolle von Kunst- und Kulturinstitutionen. Nach Präsentationen in Prag und Wien bietet die Sammlung Friedrichshof Stadtraum dem Projekt „RIOT DESIGN“ eine weitere Präsentationsplattform. Der Fokus der aktuellen Version liegt auch auf dem Prozess des Wiederaufbaus.

Pablo Chiereghin, 1977 in Adria (IT) geboren, lebt und arbeitet seit 2009 in Wien. Als Kurator verfolge ich seine Arbeit seit mehreren Jahren und habe ihn bereits in der Vergangenheit zur Mitwirkung an diversen Projekten eingeladen. Beginnend im Jahr 2015 mit seiner Teilnahme an der Gruppenausstellung „Perpetuum Mobile“ in der Garage des KUNST HAUS WIEN. Gefolgt 2016 von seiner Intervention zur Ausstellung „Im Keller im Keller“ von Ulrich Seidl bei GPLcontemporary, seinem unverkennbaren Beitrag beim Tschechisch-Österreichischen Symposium in der Galerie Miroslava Kubíka in Litomyšl (CZ) und seiner Teilnahme am project statement „Border Crossing“ bei der PARALLEL VIENNA im selben Jahr. 2017 bot die Ausstellung „Domenica“ im Palais Metternich, Sitz der italienischen Botschaft in Wien, eine weitere Gelegenheit zur Zusammenarbeit. Nach einer längeren Pause freut es mich daher besonders, dass sich unsere Wege nun im Stadtraum, der Wiener Dependance der Sammlung Friedrichshof, wieder kreuzen.

Das Projekt „RIOT DESIGN“ hat Pablo Chiereghin zum ersten Mal 2019 in der Garage Gallery Karlin in Prag realisiert, eine Ausstellung, die als Testphase für den Künstler fungiert hat und aus der aktuell die Arbeiten „Small Cupboard“ (2019) und „Small Table“ (2019) gezeigt werden. Im Herbst 2020 fand im Tresor des Bank Austria Kunstforum Wien eine umfassende, von Lisa Ortner-Kreil kuratierte multimediale Schau statt, die aufgrund der Corona-Pandemie frühzeitig geschlossen werden musste. Aus diesem Grund schließt Chiereghins Präsentation im Stadtraum eine kleine Auswahl aus der damaligen Ausstellung ein, darunter die Arbeiten „Painting“ (2020), „Vase“ (2020) und „Double Chair“ (2020).

„Ich freue mich, dass Pablo Chiereghin mit seinem RIOT DESIGN-Projekt nach der Präsentation im Tresor des Bank Austria Kunstforum Wien nun in der Sammlung Friedrichshof Stadtraum eine weitere Station erlebt“, so Lisa Ortner-Kreil anlässlich ihres Talks mit dem Künstler und mir im Rahmen der VIENNA ART WEEK. „Der Prozess, der hinter der Idee steckt – Wählen, Suchen, Finden, Zerstören, Restaurieren, Wiederbenutzen bzw. Wiedereinführen in den Markt – ist nun noch stärker sichtbar als vorher. RIOT DESIGN liefert einen wichtigen Kommentar zur schnelllebigen Wegwerfgesellschaft sowie ganz allgemein zum Wert von Waren und Objekten, die uns durch unseren Alltag begleiten. Einmal mehr ist es die Kunst, welche die festgeschriebenen Kategorien von Besitz, Wert und (Überlebens)Dauer neu definiert und uns zum Nachdenken in Hinblick auf unser eigenes Konsum- und Besitzdenken bringt.“

Pablo Chiereghin_Riot Design 21-22_2021_Sammlung Friedriechshof Stadtraum_gallery sign
Pablo Chiereghin, Riot Design 21-22, 2021, Sammlung Friedriechshof Stadtraum, Institution Sign

Aufgrund seines gesellschaftskritischen Potenzials, vor allem aber dank des performativ-aktionistischen Gestus fügt sich „RIOT DESIGN“ besonders gut in den Kontext der Sammlung Friedrichshof ein, d.h. gegenwärtig eine der umfangreichsten privaten Sammlungen von Arbeiten der Wiener Aktionisten aus den 1960er sowie frühen 1970er Jahren, die von Hubert Klocker geleitet wird. ¹

Besonders der ästhetische Aspekt von „RIOT DESIGN“, der in den Objekten an sich, aber ebenso in den Videoarbeiten zum Vorschein kommt, welche die Zerstörungsaktionen des Künstlers dokumentieren, lassen einen Brückenschlag zur Methodik der Wiener Aktionisten zu, die ihre Aktionen mittels Fotografien und Filmen festhielten. In ihrer Intention unterscheiden sich Pablo Chiereghins Interventionen dennoch von deren Aktionen. So benennt der Künstler sein Verfahren konkret als „Riot Ästhetik“ und verweist auf ikonische Episoden im Kontext des urbanen Verfalls in Verbindung mit Arbeitslosigkeit, Armut, Diskriminierung und Polizeibrutalität. Für seine Projekte ließ er sich beispielsweise von den Demonstrationen gegen die Welthandelsorganisation in Seattle 1999, jenen gegen den G8-Gipfel in Genua 2001, den Ausschreitungen in Zusammenhang mit dem griechischen Sparpaket 2010 sowie den jüngsten Unruhen in Hongkong und der Black-Lives-Matter-Bewegung inspirieren, indem er die Praktiken dieser Demonstranten als cultural-ready-made benutzte und für seine Aktionen auf Eisenstangen, Ketten, Kopfsteinpflaster, Hämmer, Sprays, Rauchbomben, Feuerwerke und dergleichen zurückgriff. Der wesentliche Unterschied zu diesen Demonstrationen ist aber der, dass seine Akte der Zerstörung kalkuliert und inszeniert sind: Chiereghin plant eine ungefähre Choreografie seiner Bewegungsabläufe, achtet bei seinen Aktionen aus gegebenen Gründen darauf, sich selbst und die Umgebung nicht allzu stark zu beschädigen und setzt die Kamera ganz gezielt ein. In der Wucht der Zerstörung hat sich Pablo Chiereghin dennoch manchmal selbst leicht verletzt und auch im umgebenden Raum Spuren hinterlassen wie man etwa in seiner Ausstellung im Stadtraum an einer Wand erkennen kann.

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