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Schriftsteller Raoul Eisele

Der österreichische Schriftsteller Raoul Eisele wusste schon früh, wo es ihn hintreibt - zum Schreiben. Heute tüftelt der freischaffende Künstler aber nicht mehr nur an einzelnen Gedichten, sondern schreibt neben Theaterstücke ganze Gedichtbände und residiert als Artist in Residence auch mal in anderen Ländern Europas. Wir haben ihn zu seinem neuesten Band “Einmal hatten wir schwarze Löcher gezählt” interviewt und mit ihm darüber gesprochen, was es bedeutet, ein Schriftsteller zu sein.
Schriftsteller Raoul Eisele
Schriftsteller Raoul Eisele

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Als ich so um die 15 war habe ich zum Schreiben begonnen. Da habe ich eine Phase gehabt, in der ich mich ausprobieren wollte und in welcher ich angefangen habe, meine Gefühle niederzuschreiben, da ich zu dieser Zeit auch vieles verarbeiten musste. Zur selben Zeit habe ich dann auch begonnen meinen ersten Roman zu schreiben, an dem ich drei Jahre lang gesessen bin. Mein Onkel hat den Roman als einzige Person gelesen und meinte damals nur, “Gut, dass du es geschrieben hast”. Damals ist mir dann bewusst geworden, dass der Roman vielleicht nicht das richtige Medium für mich ist, die Liebe zum Schreiben habe ich aber trotzdem beibehalten. Meine Begeisterung für das Lesen ist auch erst gekommen, als ich begonnen habe Theaterstücke zu lesen, für die ich dann irgendwie eine große Liebe entwickelt habe. Als ich dann so um die 17 war habe ich angefangen Gedichte zu schreiben und seit ca. 5 Jahren schreibe ich auch selbst Theaterstücke.

Schriftsteller Raoul Eisele

Arbeitest du mittlerweile hauptberuflich als Schriftsteller?
Ja zum größten Teil kann ich es momentan, aber das ist natürlich als Künstler in der freien Szene sehr stark davon abhängig, ob man Stipendien oder Preise bekommt und auch davon abhängig, ob man sich seinen Arbeitsplatz leisten kann. Momentan bin ich in dieser sehr privilegierten Lage und schätze sehr, dass ich hauptberuflich als Schriftsteller arbeiten kann. Ich arbeite aber auch noch nebenbei an vielen anderen Projekten mit, wie zum Beispiel am Theater und bin auch Teil eines Künstlerkollektivs, dem Lot, das wir gerade neu aufbauen. Das ist ein transdisziplinärer Verein, mit Mitgliedern aus unterschiedlichsten künstlerischen Disziplinen, von Musik über Theater bis hin zu Schauspiel, Fotografie, Podcast oder Tanz und Performance ist wirklich alles dabei. Ich finde das toll, weil mich gerne in mehreren Bereichen bewegen möchte. Ich finde man teilt alles immer zu sehr in Sparten und Disziplinen ein, was meiner Meinung nach Blödsinn ist. Selbst in der Literatur, wenn ich zum Beispiel Rhythmus und Poetry als Rap hernehme, dann sind das so viele Sparten die miteinander interagieren und funktionieren können. Obwohl ich in der Literatur beheimatet bin, versuche ich deshalb trotzdem über meine Grenzen hinaus zu gehen und mit Menschen, die andere künstlerische Zugänge haben als ich, zu verbinden und zu arbeiten.

Was inspiriert dich zum Schreiben deiner Texte?
Grundsätzlich würde ich sagen, andere Texte. Am meisten lese ich zur Zeit Gedichte, und Theaterstücke. Romane lese ich eigentlich am wenigsten, obwohl ich sie auch sehr gerne mag. Die packen mich oft ein bisschen zu wenig, weil sie oft mit vielen leeren Sätzen gefüllt sind, da schweife ich dann oft einfach ab.

Natürlich gibt es ein paar Ausnahmen, wie zum Beispiel den französischen Autor Édouard Louis, die ganz großartigen Texte schreibt, also es gibt wirklich in jedem Bereich gute Leute.

Was hat dich zum Schreiben deines neuen Buches “Einmal hatten wir schwarze Löcher gezählt” inspiriert?
Ich muss sagen, ich habe eine gewisse Zuneigung oder Liebe zum Weltall, also zum Mond im speziellen. Auch die Nacht hat mich immer schon fasziniert und ich habe irgendwie eine Sehnsucht oder Liebe zum Mond und vielleicht deshalb auch zum Meer. Meer und Mond bedingen sich ja, denn dadurch entsteht Ebbe und Flut. Das ist für mich etwas Faszinierendes und zugleich auch Mystisches, vielleicht auch eine Art Orientierung für mich. Sterne waren ja auch lange eine Orientierungshilfe in der Schifffahrt. Auch die Ruhe, die in der Nacht herrscht, hat mich immer schon irgendwo begleitet.

2021 wird sein Jugendstück "in einem Land ohne" im WUK (Wien) uraufgeführt.

Worum geht es in deinem neuen Buch?
Demenz ist ein großes Thema in meinem Buch, das soll auch in der Metapher der schwarzen Löcher widergespiegelt werden. Es gibt dieses eine Gedicht, darüber, wie schön das Vergessen ist, wo sich eine Blüte über diese Erinnerung legt und diese so abdeckt, dass sie nicht mehr zugänglich ist. Bei den schwarzen Löchern ist es genau dasselbe. Neben Demenz beschäftigt sich das Buch auch mit blinden Flecken aber auch dem bewussten Verdrängen, was gerade in Österreich auch ein großes Thema ist, und immer bleiben wird. Also Verdrängen und Vergessen sind große Themen im Buch aber auch die körperliche Erinnerung wird angesprochen. Das liegt auch daran, dass ich im Theater gearbeitet habe und dort Körperlichkeit auch immer stark mit Text verbunden ist. Wenn man gewisse Bewegungen hat, dann kann man sich einen Text auch leichter einprägen, er schreibt sich sozusagen in die Haut. Deshalb sind auch körperliche Reize ein Thema, gewisse Reize, mit denen wir schon längst vergessene Dinge wieder aus unserem Gedächtnis hervorholen können. Vergessen, Verdrängen und Demenz das sind die großen Hauptthemen, die in eine Familiengeschichte eingebettet sind, wo Liebe, Trauer und Freude natürlich auch eine gewisse Rolle spielen.

Es ist auf jeden Fall eine für mich sehr persönliche Geschichte, die natürlich auch, das darf man nicht vergessen, mit vielen fiktionalen Themen angereichert ist. Demenz gab es aber in meiner Familie, also diese Figur hat einen realen Hintergrund und es gibt auch natürlich eine Familiengeschichte, die dahintersteckt.

Würdest du sagen, dass du in den meisten deiner Texte Inspirationen für Charaktere oder Geschichten aus deinen eigenen Erfahrungen und Bekanntschaften sowie deinem Umfeld nimmst?
Ja, es fließen ganz sicher einige Erlebnisse von mir ein, die aber mit viel Fiktion verfälscht sind. Man soll nicht glauben, dass diese Figur aus meinem Leben auch wirklich Seefahrer war und so weiter. Durch diese fiktionale Darstellung schützt man die Personen auch irgendwo. Was ich aber glaube ist, dass man immer eine gewisse Zuneigung zu einer bestimmten Person hat, wenn man sie als fiktive Figur in seinen Texten einbaut. Für mich ist es auf jeden Fall so ein Monument, was ich bauen wollte, für diese Figur. Ich widme das ganze Buch ja R, also daher ist es für mich auf jeden Fall klar und auch für die Familie und den größeren Bekanntenkreis, um welche Person es sich handelt. Mir ist auf jeden Fall wichtig gewesen, dieser Person etwas zurückgeben zu können, auch wenn sie vielleicht jetzt nicht mehr da ist.

Schriftsteller Raoul Eisele

Würdest du sagen, dass deine Theaterstücke sich stark von deinen lyrischen Texten unterscheiden?
Sie sind sicher weniger poetisch, man muss für ein Theaterstück ja auch irgendwo eine Storyline schaffen. Ich glaube es gehört dazu, irgendwann mal aus dem poetischen rauszutreten und zu sagen, ich brauch vielleicht den einen oder anderen füllenden Satz, so sehr ich den auch nicht mag. Bei dem aktuellen Theaterstück, das dann 70-80 Minuten lang geht steigt man sonst irgendwann aus, das ist dann einfach zu lange. Da braucht es dann auf alle Fälle Figuren und etwas Erzählerisches.

Welche Projekte hast du für die Zukunft geplant?
Ich schreibe gerade an einem neuen Theaterstück, da fehlt mir der letzte Teil, der aber sehr stark aus Interviews herausgearbeitet wird, die ich noch nicht geführt habe, deshalb kann ich es auch noch nicht schreiben. Das Projekt heißt: “Like You, Piggy Boy”, bei dem es um die Geschichte einer verstorbenen Frau geht. Das Ganze spielt in einem Dorf, es wird immer mal wieder auch schlecht über sie geredet, so wie man sich ein klassisches Dorfbegräbnis eben vorstellt, das mit dem anschließend Leichenschmaus endet. Der dritte Teil des Stücks entsteht dann noch aus den Interviews mit Frauen, weil es ja doch ein feministisches Stück werden soll. Als Mann kann ich natürlich nicht genau wissen, was eine Frau bewegt, deshalb führe ich auch diese Interviews. Das andere Projekt, das ich noch geplant habe, ist ein dritter Gedichtband.

Raoul Eisele – www.raouleisele.com