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Volle Frauenpower in Singapur

Von Frauenpower, Kunst und Singapur. Sicherheit vs künstlerische Freiheit. Im Gespräch mit Weixin Quek Chong und Cllre Chong. Meine Reise ging diesmal nach Singapur – dem flächenmäßig kleinsten Stadtstaat Südostasiens.
© CYPHER Billboard
Foto: CYPHER Billboard

Nebenbei zu Unterrichten verlangte zwar nach einer strengen Zeiteinteilung, erlaubte Weixin aber ein zweites Standbein aufzubauen. Auch heute noch ist ihr der Bezug zu den Studenten wichtig. „I get a lot out of teaching as long I don’t pass the burn out point. The point where I feel I’ve drawn too much out of myself.” sagte sie lachend. Dabei war nicht der Zeitfaktor – zwei Jobs miteinander zu vereinbaren ist keinesfalls ein leichtes Unterfangen – eine Herausforderung, mit der Weixin zu kämpfen hatte, sondern das junge Aussehen. Ihr juveniles Äußeres bereitete die größten Schwierigkeiten dabei, sich im Publikum Gehör zu verschaffen. Um nicht als das „junge Mädchen“ vernommen zu werden, griff sie auf einen raffinierten Kleidungsstil und ein auffälliges Make-Up zurück. Jenes ‘junge Gen‘ liege wohl in der Familie Chong. Weixins Vater sei all zu oft jünger eingeschätzt worden, was sich wiederum auf seine Authorität schlecht ausübte. Da hilft auch leider kein Make-Up, nur das geduldige Warten bis die grauen Haare ihre Arbeit leisten.

„I get a lot out of teaching as long I don’t pass the burn out point. The point where I feel I’ve drawn too much out of myself.” sagte sie lachend.

Meine letzte Frage betraf die Hürden und Stolpersteine, die Weixin außerhalb Singapurs zu überbrücken hatte. Dazu zählte sicherlich nicht das junge Aus-sehen, was in westlichen Kulturen eher angepriesen wird. Nach einer kurzen Denkpause, schien sie die richtigen Worte gefunden zu haben: „When you come into a scene from any other position or identity than what is considered or portrayed as default, it can often pose specific challenges. Every kind of marginalization can affect an individual’s possibilities of access, visibility, movement and value in different ways. How these pressures interact affects the way your voice as a creative is both heard and expressed…”

© Weixin Quek Chong
Foto: Weixin Quek Chong

In Singapur gehöre sie zwar zu einem Bevölkerungsteil, der aus Frauen besteht, gleichzeitig ist sie aber Teil einer Population, die hier die Mehrheit ausmacht. „It’s different when I’m in Europe, where I feel very racialized. This angle doesn’t go away.” Wiexin sieht darin aber auch eine Kehrseite: Indem man es bereits gewohnt ist von der ‘anderen Position‘ aus zu agieren lernt man automatisch Verhandlungs- bzw. Kommunikationsstrategien zu perfektionieren, um zu ‘überleben‘. Es lehrt einen nicht aufzugeben, auszuharren und nach Lösungen zu suchen auch wenn unser Gegenüber im Umgang womöglich etwas schwierig ist. Mit dem positiven Akzent beendeten wir das Gespräch. Am darauffolgenden Tag verabredete ich mich mit der Filmemacherin und Videokünstlerin Cllre Chong. Ich erkannte sie an ihrer regenbogenfarbenen Bob-Frisur wieder. Wir verabredeten uns im PUNCH, einem hippen Restaurant, ein paar Häuserblocks vom kolonialen China Town entfernt. Mir fiel Cllres körperdeckender Kleidungsstil auf – und das im tropischen Klima, wo das Thermometer nicht unter 30 Grad sinkt! Als ich sie darauf ansprach erklärte sie mir, dass es zum Schutz vor Schmutz und Bakterien diene. In Singapur achtete man besonders auf Hygene und Sauberkeit, was sich vor allem in Pandemie-Zeiten als dienlich erwies. Während ich ihren Entschluss zur stylischen Schutzkleidung bewunderte, ronnen mir Schweißperlen die Stirn herunter und ich wegte es ernsthaft ab, mir die letzt mögliche Kleidungsschicht auszuziehen. Allein die beachtliche Geldstrafe für Erregung öffentlichen Ärgernisses hielt mich davon ab.

© Cllre Chong
Foto: Cllre Chong

Die in Singapur geborene Künstlerin studierte Filmproduktion an der LASALLE Kunstuniversität. Tatsächlich ist die vierundzwanzig Jahre junge Frau aber bereits seit ihrem sechzehnten Lebensjahr in der Medienbranche tätig und kennt sowohl deren Sonnen- als auch Schattenseiten. Auf meine Frage, wie sie ihre Kunstprojekte finanziert und ob es staatliche Subventionen gäbe, erklärte sie mir sich bewusst der gut geölten staatlichen Fördermaschinerie abgewendet zu haben. Es gehöre zur Tagesordnung, dass staatliche Unterstützung meist mit gewissen inhaltlichen Vorstellungen seitens der Regierung verbunden ist. Jener Eingriff führt wiederum zur Eingrenzung künstlerischer Freiheit. Um dem System auszuweichen gründete Cllre ihre eigene Firma, die Aufträge für die Werbebranche tätigt. Die dadurch gewonnene finanzielle Eigenständigkeit ermöglicht ihr eigene Projekte zu verwirklichen. Die Balance zwischen kommerzieller Videoproduktion und experimentellen Kunstfilmprojekten aufrecht zu erhalten war nicht immer einfach, die Gratwanderung gelinge Cllre aber mittlerweile ganz gut.

© Cllre Chong
Foto: Cllre Chong

Im Laufe unseres Gesprächs fing ich an mich zu wundern, wie sich wohl diese zierliche, junge Frau in der doch recht taffen, männerdominierten Film- und Medienbranche zurechtfand. Als ich sie auf das Thema der Geschlechterungleichstellung ansprach, erwiderte sie ohne zu zögern, “I feel that women in general, we have the power of the vagina. That’s so powerful.” Nachdem ich mit solch einer Antwort nicht gerechnet habe, verstummte ich für kurze Zeit, um meine Verwirrung zu verbergen. Cllre fuhr währenddessen mit einer Gelassenheit fort und ignorierte meinen, vor Staunen, halb geöffneten Mund. Jenes Denkmuster, erklärte sie mir, dass Frauen keine gleichen Rechte hätten wie Männer, sei auch in Asien weit verbreitet. In der Film-und Medienbranche sei die Diskrepanz hingegen, zumindest was die Bezahlung anbelangt, kaum zu spüren. „Women do the job a lot better and we get paid a lot better. So here I don’t see gender discrepancy.”, erklärte sie mir. Es ist unumstritten, dass besonders jene Industrie von Frauen eine gehörige Portion an Durchsetzungsvermögen abverlangt, dies gilt aber für alle und zwar Gender unabhängig.

Es ist unumstritten, dass besonders jene Industrie von Frauen eine gehörige Portion an Durchsetzungsvermögen abverlangt, dies gilt aber für alle und zwar Gender unabhängig.

Was für Cllre im Berufsleben hingegen eine Hürde darstellt, ist nicht ihr Geschlecht, vielmehr aber das junge Alter. “I choose to believe that my inequality comes from me being so young, not by being a woman but of course the opinions on that matter might differ.” Mit ihren vierundzwanzig Jahren hält sie eine Führungsposition inne, die man üblicher-weise von über Dreißigjährigen erwarten würde. Dies entpuppt sich oft als Barriere, vor allem wenn es um People Management geht. Dabei ist nicht die junge Generation das Problem, für die das Alter gar kein Thema darstellt. Es sind die Älteren, die sich nichts von einer jungen Frau sagen lassen wollen. Ungleich den westlich geprägten Kulturen, wo Jugend mit Schönheit gleichgesetzt wird und der Anerkennung nicht im Weg steht, geht hingegen im asiatischen Raum Autorität mit dem hohen Alter Hand in Hand.

Diana Smaczynski
Diana Smaczynski

Dabei gelten Personen, die “viele Winter erlebt haben” als weise und gleichzeitig als Leitbilder der Gesellschaft. Cllre hat aber mit der Zeit gelernt Eigenschaften, die manche als Schwächen sehen würden, zu ihren Gunsten einzusetzen. „My power is that I’m small and a little bit cute so people don’t get angry with me for long. I also truly believe that feminine power is very strong. I learned to use the powers I’ve got.” Sie trank den letzten Schluck ihres Cappucinos und erklärte mir, dass sie jetzt leider gehen müsse. Wir tauschten unsere Social Media Accounts aus und ich begleitete sie zum Grab-Taxi – einem in Südostasien populären Uber-Äquivalent. Den freien Nachmittag entschied ich mich in Little Arabia zu verbringen, einem bunten Stadtviertel nördlich des Marina Bay, bekannt durch eine vibrante Bar- und Graffiti Scene.

Diana Smaczynski

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