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Im Interview mit Emma Kling

In der Malerei von Emma Kling verfangen sich Erfahrungen und Momente in ihren Darstellungen diverser Textilien. Stoffe, in ihren unterschiedlichsten Formen, begleiten uns Menschen rund um die Uhr und unser ganzes Leben. Wir lassen diese Gewebe nah an uns heran und vergessen gelegentlich, welche Geschichten, Bedeutungen, Traditionen und Qualitäten diese Stoffe in sich tragen. Textilien stiften für uns Identität, dienen als Erinnerungsspeicher und haben selbst so viel zu erzählen. Zum Glück dokumentiert Emma Kling in ihren Gemälden diesen Fassettenreichtum mit viel Stoff zum Fühlen.
Emma Kling Interview Kunst Wien
Gelbe Dichotomie, Öl auf Leinwand, 90x60cm, 2020

Das Portrait des Textils – welche Geschichte steckt hinter dem Stoff deiner Malerei?
Textil ist eines der ältesten, künstlichen Materialien. Die unterschiedlichsten Stoffe sind ein universeller Teil des menschlichen Lebens, und erfüllen eine fast endlose Anzahl von Funktionen. Seit Jahrtausenden sind Menschen mit Textilien in engem, physischem Kontakt. Die Falten und Muster eines Stoffes bilden ein spezielles System. Sobald Licht darauf fällt, oder der Stoff mit verschiedenen Oberflächen interagiert, ändert sich Charakter, Bedeutung oder Symbolik.

Emma Kling Interview Kunst Wien
Künstlerin Emma Kling

Ein für mich besonders spannender Aspekt von textilen Stoffen ist, dass die Darstellung eines Tuches auch die Abbildung eines bestimmten, nicht wiederholbaren Moments ist. Durch den Faltenwurf versuche ich festzuhalten, was nur in dem Kontext von Hier und Jetzt existiert. Ich habe oft Angst, dass ich an Sachen nicht festhalten kann. Manchmal bin ich einfach traurig, wenn ein Tag zu Ende geht und ein bestimmter Tag mit denselben Möglichkeiten passiert halt nie wieder. Und so ist eben auch eine Abbildung eines Tuches -die Visualisierung von etwas Zartem und Vergänglichem.

Was ist dein malerischer und persönlicher Zugang zu Stofflichkeit und Textilien?
Einerseits ist da natürlich der ästhetische Zugang. Ich finde, dass die beiden Medien Malerei und Textilien ähnliche medienspezifische Essenzen besitzen. Es geht bei beidem um die Materialität, die Oberfläche, und Farbigkeit. Diese Stoffe nun auf textile Malgründe abzubilden scheint für mich damit naheliegend und auch etwas Paradox zugleich, da ihre Qualitäten viele Parallelen zeigen. Es ist aber nicht nur etwas Rationales im Kopf; das mögliche Zusammenspiel dieser Eigenschaften von Textilien und Malerei übt seine Wirkung auf das Bauchgefühl aus.

Anderseits Textil ist überall im Leben. Wirklich in jedem Aspekt. Nicht nur als Objekt, auch als Metapher in der Sprache oder als ein wichtiger Gegenstand in Mythen und Volksmärchen.

So im Mythos um das Minotaurus Labyrinth und dem Faden Ariadnes, den roten Mantel von Rotkäppchen und viele mehr. In Kulturen können Textilien eine religiöse oder traditionelle Bedeutung haben. Textil kann alles: es ist praktisch, es kann Emotionen ausdrücken, es kann ein Symbol der Identität sein. Es ist einfach toll.

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Kaktee I, Öl auf Leinwand, 60x50cm, 2020 | Kaktee II, Öl auf Leinwand, 22x18cm, 2020. Foto: Lorenz Kunath

Was wissen die meisten nicht über Textilien oder was wird übersehen?
Textilien nehmen viel von ihrer Umwelt auf. Sie lassen Licht und Schatten ihre Qualitäten und Charakteristik ändern. Stoffe reflektieren bestimmte Elemente ihrer Umwelt. Es ist eine spannende Ambivalenz, da textile Stoffe meist verwendet werden etwas zu verdecken. Manchmal scheint aber ein Licht von hinten durch das Gewebe, und wirft Schatten. Diese Schatten verraten, dass sich doch etwas hinter der Materie befindet. Tücher können immer wieder über etwas Neues gelegt werden. Können als neue Hülle dienen. Schichten bilden. Sich wieder entfalten.

Zu welchen Erkenntnissen bist du in deiner malerischen Arbeit über Stoffe gekommen? Welche Themen behandelt der Stoff in denen Werken oder haben sich dann daraus entwickelt?
Textilien eignen sich hervorragend für die Kommunikation. Nicht nur wegen der offensichtlich starken Konnotationen, sondern weil sie mit ähnlichen Instrumenten spielen wie die Malerei selbst. Textilien können schnell in etwas Abstraktes verwandelt werden, ohne ihre konkrete Bedeutung zu verlieren. Einerseits ergeben sich daraus universelle Themen, die zwar einen persönlichen Bezug zu mir haben, aber generell ziemlich viele Menschen betreffen. So wie das Orte-wechseln, Sprache, Migration, Identität, Sozialisation und Vergänglichkeit.

Aber ich suche mir selten vor dem Malen ein bestimmtes Thema aus. Ich habe zwar meine Intentionen, wenn ich anfange zu arbeiten, aber es ändert sich immer viel während des Prozesses. Oft wird mir erst später klar, um was es in einem Bildzyklus geht.

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Vorhang, Öl Eitempera auf Leinen, 80x40cm, 2020

Blick in die Vergangenheit: was hat dich und deine Kunst am meisten geprägt?
Für den ersten Moment hatte es vielleicht nichts mit dem Malen selbst zu tun, sondern mich hat mein früheres Interesse und meine Studien in der Theaterwelt beeinflusst. In meinem Prozess, wie ich zu einem Gemälde komme, fühle ich mich oft wie eine Regisseurin. Ich inszeniere etwas, ich mache Fotos und dann manipuliere ich diese Fotos. Und das Malen ist dann quasi Schauspielen.

Ich denke, dass Bilderbücher sehr wichtig sind, da sie die erste visuelle Erfahrung sind, die man als Kind hat. Ich habe auch gerne in Kunstbücher geblättert mit historischen Gemälden noch bevor ich lesen konnte. Diese Bilder sind sehr stark in meine Erinnerung eingebrannt. Dann kamen Filme. Mein visuelles Denken ist sicher sehr stark durch Kompositionen und Ästhetik in Filmen beeinflusst. Ein weiterer Einfluss ist auch meine Mitbewohnerin, die gerne Hemden trägt und für mich ein wichtiges Modell ist, für meine Malvorlagen und so auch für die Hemden-Serie. – Und natürlich auch Lorenz (Kunath), der mir die osteuropäische Angst genommen hat. Die Angst, dass Malen kein ernstes Berufsziel sein kann.

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Geometrie, Öl auf Leinwand, 50x40cm, 2020

Blick in die Zukunft: Woran arbeitest du gerade, welche Ziele und Wünsche hast du für die Zukunft?
Ich arbeite gerade an Doppelbildern. Doppelporträts von Stoffen. Diesmal habe ich Falten geometrisch in die Stoffe gebügelt. Durch Geometrie wirken die Textil-Landschaften bewusster und rationaler. Es schafft innere Grenzen, innere Struktur. Die geraden Linien bringen Orientierung anstelle von zufälligen Faltenwürfen.

Ich bin ja noch mittendrin in meinem Studium. Ich wünsche, dass man bald wieder mehr an der Uni sein kann, auch um sich intensiver mit Leuten austauschen zu können. Auch wünsche ich mir, dass das „off image“ Projekt noch viele weitere Akts haben wird, und sich schön entwickelt. Das Projekt ist eine Webseite und funktionier wie ein Online-Off-Space. Es ist ein „ongoing“ Projekt, das ich mit Lorenz (Kunath) letztes Jahr angefangen haben. Es beschäftigt sich mit online Repräsentationsformen, aber am Ende entsteht dann etwas physisches, wie eine Ausstellung oder ein Künstlerbuch. Momentan sind wir mit viele KünstlerInnen in Kooperation und am Vorbereiten des zweiten Akts.

Ich wünsche mir auch, dass der Mann am Kanzleramt mal auch „Ja“ sagt (siehe Michael Köhlmeier’s Neujahrsgruß) oder gleich verschwindet. Und ein großes Atelier.

Emma Kling ist in Ungarn geboren. Zwischen 2015-2016 war sie Studentin an der Schauspielakademie Pest Magyar Theater. Die Künstlerin lebt und arbeitet seit 2016 in Wien und studiert an der Universität für Angewandte Kunst, in der Klasse von Judith Eisler. In ihren Arbeiten beschäftigt sich mit Symbolik und Veränderungen des Stoffes.

Aktuell sind Emma Klings Arbeiten in der Ausstellung „Fabricate“ kuratiert von Junge Kunst im St. Art in der Zollergasse in Wien zu sehen.

Emma Kling – www.instagram.com/emma_kling
Off Image – I. Akt / Schottenfeldgasse 85 – www.offimage.at