Wien Kunst
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New Media mit Hannah Neckel

Hannah Neckel ist eine new media Künstlerin, mit ihren Wurzeln im Internet. Sie studiert derzeit transmediale Kunst an der Universität für angewandte Kunst Wien. Der Schwerpunkt ihrer künstlerischen Arbeit liegt in der ontologischen Untersuchung des Realitätsbegriffs, der sich auf Grund des raschen technologischen Fortschritts in den letzten Jahren unter starker Veränderung wandelt. Ihre Multimedia-Arbeiten beschäftigen sich mit der Verschmelzung unserer Wahrnehmung durch Online- und Offline-Welten und deren Einfluss auf unsere Gefühle und Identität.
hannah nickel interview
Hannah Neckel in ihrem Studio. Foto: Max Halstead

Wie entstehen deine Arbeiten? Wie sieht der kreativer Prozess aus?
In meinen Arbeiten beschäftige ich mich mit unserer veränderten Realitätswahrnehmung. Durch das Internet kam eine komplett neue Ebene an unserer Realität hinzu, die diese seither extrem beeinflusst und verändert hat. Das Internet hat sich verselbstständigt und sich von einer abgetrennten eigenständig funktionierenden Plattform in unsere Welt hinein geschmolzen und integriert, es wurde größer als es selbst und hat sich, wie ein Glas das überfließt in unserer physischen Realität verbreitet. Meine Inspiration kommt daher aus meinem Online-Leben und den darin entstandenen Subkulturen, Communities und Aesthetics. Ich bin aufgewachsen im Internet, habe so viele Social Medias usw miterlebt und mir dadurch im Laufe der Zeit eine ganze Festplatte mit Found Footage und meinem eigenen Material gesammelt, dass immer als Basis für jede neue Arbeit dient. Mein Prozess beginnt immer damit, alle meine Inhalte durchzugehen und daraus neue Werke zu konzipieren. Stark beeinflusst sind meine Arbeiten auch oft von aktuellen oder einflussreichen Internet Trends, die mich zu diesem Zeitpunkt beschäftigen. Um diese beiden Realitäten näher aneinander zu bringen schaffe ich Arbeiten sowohl in URL und IRL, bei denen ich mich an Found Footage und Readymades (das found footage des real lifes) bediene, die dann in meinen Arbeiten verwendet, modifiziert und personalisiert werden. Wie auf alten selbst gebastelten Websites oder sharing Platformen wie Tumblr, wo man sich seine eigene Welt aus gefundenen Gifs, Videoclips oder Real Life Stickern, Gebrauchsgegenstände etc kuratiert.

Mein Prozess beginnt immer damit, alle meine Inhalte durchzugehen und daraus neue Werke zu konzipieren.

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Wie machst den den virtuellen Raum spürbar?
Mit meinen Arbeiten versuche ich das Verschmelzen von IRL und URL erlebbar zu machen und die Betrachter durch die Rekontextualisierung damit zu konfrontieren. Praktisch wird das umgesetzt in dem ich URL und IRL immer wieder ineinander übersetzte. In mein Projekt ~post virtual garden~ wird das besonders deutlich. Der Hauptteil ist als Rauminstallation konzipiert, welche Internet-Ästhetik wieder in die physische Welt holt, es werden viele Signifier für Internet Ästhetik benutzt die Vaporwave erinnern, welches die erste dezentral und komplett online entstandene Subkultur ist und damit das Internet nachhaltig geprägt hat. Es gibt auch Skulpturen, die im Computer geplant wurden, und dann zB durch 3D Druck physisch gemacht wurden, gleichzeitig gibt es aber auch mehrere Instagram Filter, begleitend zur Installation denn durch die Augmented Reality Komponente wird eine weitere Ebene zwischen IRL und URL möglich gemacht. Das Gesamtkonzept der Realität ist wie ein Photoshop File, der aus verschiedenen Ebenen besteht, die sich überlagern und zusammen ein Bild ergeben. Genau so sehe ich unsere Welt auch.

Welches Thema beschäftigt dich in letzter Zeit am meisten?
Zur Zeit finde ich gerade den erneut aufflammenden Trend von „cursed images“ und „weirdcore“ super spannend.

Weirdcore (or oddcore) is an aesthetic which is based around bizarre imagery and objects. The aesthetic commonly features nostalgic characters and properties, usually popular in the early 2000’s or 90’s (ex. Hello Kitty, Care Bears or Furbies). This imagery is distorted bizarrely to create an unnerving affect.

Also eine Subkultur von Aesthetic Bildern im Internet, die vor allem durch ihren bizarren & spooky vibe auffallen und in den Leuten irgendwie ein Unbehagen gepaart mit Nostalgie auslösen. Bilder wo man sich fragt “wtf was soll das?” Bilder, bei denen man total vom Mood eingenommen wird und es sich einfach nicht erklären kann wieso. Dieses Subgenre existiert an der Intersection von Oddcore, Nostalgiacore, Webcore, Suburbancore und maybe auch Glitchcore. Alles Genres die sich in den letzten ca 10 Jahren Internetkultur entwickelt haben und in der letzten Zeit wieder einen überraschenden Aufschwung erlebt haben.

Myspace. Wer waren dein 5 Top-Freund? Welche Nickname hattest du?
Haha! Ich weiß es gar nicht mehr, meine Top Freunde waren wahrscheinlich einfach meine besten Freundinnen damals. Ich war 12 Jahre als Myspace groß war bei uns, schon komisch, wenn man seine Freunde ranken muss, aber super cool fand ich damals natürlich Tila Tequila, Kiki Kannibal, die ganzen Scene Queens und Emos. Das war halt so das erste Mal ever das man sich mit Menschen von überall in der Welt verlinken konnte, ich hatte plötzlich Leute in der ganzen Welt, was auch sehr stark zu meinen Englischkenntnissen beigetragen hat. Dieses vernetzt sein, und sich über shared interests und aesthetics finden, hat mich immer schon begeistert. Auch der DIY Aspekt von Myspace war super cool, ein bisschen trashy html, gifs raussuchen, Sachen von anderen Seiten nehmen, selbst einbauen. All diese Sachen haben mich bis heute in meiner Praxis stark geprägt. Mein Nickname war hannah_hardcore (den ich übrigens noch lange danach auf anderen Seiten verwendet hab). Meine Eltern waren nicht so happy darüber über meinen Nachname.

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Was hat sich in den Sozialen Medien verändert?
Das ist schwer zu sagen, wir leben alle in unseren extremen Bubbles, meine Wahrnehmung von Instagram, Tiktok oder Ähnlichem ist wahrscheinlich unglaublich anders als die der nächsten Person. Social Media ist immer von krassen Trends geprägt, es gibt dort immer eine Mainstream und verschiedene Subkulturen. Ich hoffe, dass die Allgemeinheit wieder einen positiveren Zugang zu social media bekommt. Alle Leute benutzen es, aber es hat sehr viele negative Konnotationen und hat einen zunehmend schlechten Ruf. Dabei hat das Internet so viele positive Aspekte, die viel mehr hervorgehoben werden sollten. Ich denke, ein reflektierter Umgang ist wichtig, aber das Internet bietet so viel, für marginalisierte Gruppen, Aktivismus, Bildung, communities, neue kulturelle Entwicklungen, Kunst, Musik. Man muss die guten Sachen schätzen und denen seine Aufmerksamkeit widmen. The internet is what we make of it. Wir müssen und können es aktiv gestalten und nach unseren Wünschen, Bedürfnissen und Sehnsüchten formen. Diese Spirit muss wieder gecatched werden. Get active!

The internet is what we make of it. Wir müssen und können es aktiv gestalten und nach unseren Wünschen, Bedürfnissen und Sehnsüchten formen. Diese Spirit muss wieder gecatched werden. Get active!

Gerade zur Zeit entsteht eine komplett neue kulturelle Welle. Musik geprägt, konzipiert und thematisiert rund ums Internet, Tiktok, wo junge Menschen sich ausleben, krasse video editing skills erlernen, communities formen und Subkulturen entstehen.

https://www.instagram.com/p/B9cmUOZFNEi/

Woran arbeitest du derzeit?
Zurzeit arbeite ich nach der online only corona Phase endlich wieder im physical space. Ich hab es schon auch genossen mich wieder auf die Digitale Arbeit konzentrieren zu können. Im letzten Jahr bin ich nicht mehr so oft dazu gekommen, deshalb war es sehr schön, wieder mehr Fokus auf Digital Collages, Post Internet Art, Photography, 3D Animationen setzten zu können und diesen Teil meiner Praxis weiterzuentwickeln. Das Atelier im SCHLOSS25 gibt mir wieder das space um jetzt auch wieder meine skulpturale Arbeit fortzusetzen und weiterzuentwickeln. In post virtual garden gibt es Skulpturen, die Handys halten, welche natürlich mit einem Kabel ständig laden müssen. Eine lustige Erfahrung, die ich gemacht hab, war, dass bei Ausstellungen immer wieder Leute zu den Skulpturen gehen, die Kabel aus den Handys ziehen und in ihre eigenen Handys stecken und aufladen. Diesen Moment, dass die Leute die Installation als so zugänglich empfinden find ich super spannend. Die Besucher und deren Handys werden damit Teil meiner Installation.

hannah neckel kunst
Hannah Neckel, Post virtual garden

Diesen Moment will ich aufgreifen und damit weiterarbeiten. Schon mit den Instagram Filtern werden die Handys Anderer miteinbezogen, und mit neuen Skulpturen will ich noch mehr dazu anregen und die Installation zugänglicher und erlebbarer machen. Die Leute sollen sich in meiner Installation wohlfühlen, sich darin aufhalten wollen und sie erkunden. Um das anzureizen, will ich die nächsten Skulpturen mit expliziten Handy charging stations ausstatten. Ich sehe das Internet als einen Raum, der Menschen befähigt, sich selbst zu sein, und ihnen den Raum gibt, sich auszudrücken und zu verbinden. Dieses Gefühl ist für mich äußerst wichtig, daher hoffe ich, dass ich in meinen Installationen einen Raum wie diesen IRL schaffen kann, in dem sich die Menschen willkommen und frei fühlen.

Hannah Neckel – www.hannahneckel.com