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Wasted Sergej, ihr Alter Ego

Im Laufe ihres Lebens hat Wasted Sergej sich auf die Suche nach Wachstum, Entwicklung und Erdung begeben und dabei viele Prozesse durchlaufen. Ihre Kunst dient ihr als Ventil, um Themen ihres Bewusstseins und Unterbewusstseins aufzugreifen und aufzuarbeiten. Sie lässt sich von ihrer Umgebung inspirieren, wie von der Natur, den Jahreszeiten und der Tierwelt und spielt dabei auf individuelle Lebensweise an.
wasted.sergej official | vienna based contemporary artist

Wir alle haben verschiedene Gesichter, die sich ambivalent gewissen Situationen fügen. Wasted Sergej, ihr Alter Ego, kommt zum Vorschein, wenn sie malt. Indem sie sich einen Namen gibt, akzeptiert sie diesen Teil in sich und lässt die Existenz dieser Persönlichkeit in sich, die männliche, raue Seite ihrer Weiblichkeit, aufblühen und zum Leben erwachen. Spannend findet sie die Ausweitung des Multikulturellen, da sie sowohl Geschichte, Erfahrungen als auch Persönliches beinhaltet. Ihre Vergangenheit, die Herkunft aus einem anderen Land, das Einbringen ihrer Werte und Sprache in ein neues Land haben sie bewusst und aufmerksam gemacht. In ihrer Kunst beschäftigt sie sich mit Unterschieden, Befreiung und Unterdrückung. In ihrer Bildern versucht sie, missverstandene Kulturen und die Ungleichheiten der Geschlechter zu befreien und die Sexualität der Frauen aufzuzeigen sowie die interkulturelle Akzeptanz durchzusetzen. Dabei setzt sie auf eine barrierefreie Methode, ohne gewisse Sprachen zu verstehen oder gar zu sprechen. Der dadurch geschaffene Raum sollte diese Freiheit der Interpretation zum Ausdruck bringen. Wenn sie ihre Kraft und Inspiration aus der Welt um sich herum bezieht, fühlt sie sich verpflichtet, sich um die Dinge zu kümmern und aufzuzeigen, anstatt sie als selbstverständlich hinzunehmen, oder sie unter den Teppich zu kehren. Sie arbeitet auf recycelten Leinwänden, die ihr naives neo expressionistisches Werk tragen. Ihre Kunst nimmt die Farben der Natur auf und erinnert sie daran, achtsam mit ihren Ressourcen umzugehen. Diese Ressourcen präsentierte sie bereits 2022 auf der Parallel in Wien und auch in ihrer Solo-Vernissage, im März 2023 stellte Sergej bereits ihre Werke zur Schau. Doch nicht nur hier zu Lande präsentiert sie ihr Können, sie lässt auch international, Kunstbegeisterte in Deutschland, Spanien und Litauen mit ihrer Kunst, Wasted Sergej, kennenlernen.

Wie wirkt sich deine Umgebung und die Natur auf deine künstlerische Arbeit aus und wie integrierst du diese Einflüsse in deine Werke?
Da ich ohne Konzept male und eigentlich nie was plane, was auf das Bild kommen soll, schalte ich meine Musik ein, stelle mich vor die Leinwand und versetze mich in meine eigene Welt und Zustand. So beginnt bei mir der Prozess zur Kreativität. Somit ist jedes Bild eine Art Schnitt meiner Gedanken und emotionalen Lage, die ich fühle und erlebe während des malens. Da ich jedes Bild in einer Sitzung mache, ganz egal wie lange die Sitzung dauert (auch bis zu 10-12 Stunden), greife ich es am nächsten Tag nicht mehr an. Daher spielen die Umgebung, die Musik, mein Gemütszustand, die Weltsituation und meine Laune eine entscheidende Rolle. Ich kann und will nicht kontrollieren, was auf dem Bild gezeigt wird. Letzten Sommer hatte ich eine Situation beim Malen, in der ich auf den ersten Blick etwas sehr Positives kreierte. Auf den zweiten Blick war es jedoch tiefer. Meine Gedanken waren bei den Frauen Rechte zur Abtreibung in den USA und dieses komplexe Thema war sehr leicht zu erkennen auf dem Bild. Zumindest für mich. Ich nehme alles sehr sensibel wahr, daher gehe ich nichts auf die Vernissagen anderer Künstler:innen. Wenn nur gezielt und auch das selten. Ich mache das bewusst, um mich nicht von meinem Stil und Emotionen abbringen zu lassen. Ich gehe der Gefahr aus dem Weg unterbewusst etwas nachmachen zu wollen und möglichst authentisch Wasted Sergej zu bleiben. Es existiert schon alles auf der Welt, wir malen nur, was wir schon gesehen haben. Marfa (ich) ≈ ist sowieso nur ein physisches Transportmittel der Gedanken von Wasted Sergejs auf die Leinwand in einer verzerrten Technik. Das Sprachrohr.

Gibt es bestimmte Materialien oder Techniken, die du gerne in deine Arbeit integrieren möchtest?
Früher habe ich nur mit Acryl gemalt, da es schneller trocknet und zu meinem Stil im momentanen Expressionismus gepasst hat. Dann bin ich in die Phase gekommen, in der das wichtigste Sujet noch immer Acryl war, allerdings in Kombination mit Ölkreiden. Für mich funktionieren diese schneller und emotionaler, um das Bild zu verändern . Da wird es fast zu Graffiti, was ich in mir noch nie sah. Mit Acryl male ich die Grundempotionen von mir und mit Ölkreiden werden Momentaufnahmen von kürzeren Emotionen (sollten solche vorhanden sein)- Sekundenemotionalität beigefügt. In dieser Phase befinde ich mich jetzt.

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Wie möchtest du, dass deine Kunst angenommen wird und welche Botschaft möchtest du vermitteln?
Oft werde ich gefragt, was ich auf dem Bild sehe? ist es ein Krokodil, ein Gesicht? Meine Bilder kreieren erstaunlich unterschiedliche Emotionen in den Augen der Betrachter. Es sind die individuellen Erfahrungen des Einzelnen, die diese Unterschiede hervorzuheben. Ich glaube, man liest meine Bilder nicht so einfach durch Figuren, die da zu sehen sind oder durch Wörter. Ich gehöre nicht in diese Schublade. Ich zwinge niemanden eine Sichtweise auf, sondern gebe die Freiheit und den Genuss selbst und individuell, ob positiv oder negativ etwas privates zu erleben. Das Gesamtbild ist wichtig und das Gefühl zu sprühen – dass ist die richtige Antwort. Wie Sanskrit, die einzige Sprache, die durch Vibration zu verstehen ist und nicht durch Assoziation mit einem Bild im Kopf. Vor zwei Jahren war ich einige Tage auf Mykonos und malte ein Bild. Ich wusste zu Beginn nicht warum, aber am Ende habe ich verstanden, es waren Eindrücke aus diesem Urlaub, die mir das Verständnis von ‚sex sells’ ganz klar machten. Das Bild hängt jetzt bei einem meiner Sammler und er hat mir erzählt, dass seine weiblichen Gäste es unterschiedlich wahrnehmen. Manche sind positiv und manche auch durchaus negativ. Für einige Frauen, die das Sex Sells-Prinzip erfahren haben, fühlten sie sich weniger angesprochen. Und die Frauen, die es nicht erlebt hatten, empfanden das Bild als fröhlich. Der Sammler scherzt seine Gäste nun auf Erfahrung testen zu können. Wichtig für mich ist, dass man überhaupt etwas fühlt, wenn man meine Werke ansieht. Meine Kunst soll etwas auslösen.

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Welche Emotionen empfindest du, wenn du malst?
Die Emotionen, die ich selbst empfinde während ich male sind unterschiedlich. Manchmal zum Beispiel einfach Hunger. Ich liebe es zu malen, wenn ich Ekadashi halte, also Fastentag habe. Manchmal bin ich wütend, aber meist sehr fröhlich. Ich komme zu meinem Herzen. Dies nenne ich das IIIIIIIII-Gefühl. Das Gefühl, wenn man zum Beispiel Musik hört und eine Passage so gut ist, dass man schreien könnte. Dieses iiiiiiiiii schreien. Das kommt sehr oft vor, wie ich male. Volle Emotion. Letzten Sommer hatte ich eine neue Erfahrung in meinen Prozessen gemacht. Ich hatte angefangen ein Bild zu malen, es schien positiv zu werden, jedoch musste ich es am Ende zerstören. Ich hörte ein ruhiges Lied, das mich wütend machte. Trotzdem habe ich es mehrmals angehört und das Bild während dessen total verändert. Von etwas positivem, zu etwas emotionalem zerstreuten. Pokerface und Eiskönigin passen nach zu mir, aber in meinen Bildern kann man meine emotionale Seite nach außen erleben.

Was bedeutet Freiheit für dich?
Das Thema Freiheit kommt momentan sehr oft bei mir vor. Wir sind alle nicht komplett frei. Es gibt physische Be- und Einschränkungen als auch Mentale, zeitliche, gesetzliche oder territoriale und soziale. Meine Freiheit ist diese nicht als Grenze zu empfinden, sondern als eine Richtung des Wachstums. Dadurch werden dann aber auch diese Grenzen breiter und breiter. Wen wir über zwischenmenschliche Beziehungen sprechen und Freiheit da- ich sehe es so, dass wir einander nicht besitzen und die komplette Freiheit geben sollen. Was zu dir gehört bleibt bei dir. Alles andere geht, was mich dann auch sehr freut. Was ich als sehr freizeitfördernd empfinde ist die Allgemeinbildung. Bin nicht dafür, dass in den Schulen von Jung auf Kinder aufgeteilt werden auf fokusklassen. Bis zu einem bestimmten Alter müssen ALLE allgemeine Sachen wie Literatur (vor allem klassische), Musik, Sport, Chemie etc. gelernt werden. Und er dann wo die Grundlage geschaffen ist die Fokus auf Spezialisierung. Die Bildung erweitert die Horizonte, vergibt dann die Freiheit des Wahls und Gedankens. Fokus begrenzt dich.

wasted.sergej official | vienna based contemporary artist

Woran arbeitest du gerade?
Momentan arbeite ich daraufhin, mich weiter in die Phase des Farbenmischens zu bewegen Ich mische sie jetzt noch nicht, weil ich nie weiß was auf die Leinwand kommt – sind ja alle Momententscheidungen im Prozess. Ich möchte eine Serie von einem bestimmten Bild machen, die sich auf den Hauptfarben von dem Bild basieren. Und da möchte ich schon Kreativität in die Farben reinbringen. Es ist ein Experiment mit Freiheit in der Einschränkung – wird im Mai fertig.

Wasted Sergej – www.wasted-sergej.com