
Angelika Wienerroither: Herr Oberhollenzer, Sie waren Kurator der Sammlung Essl sowie der Landesgalerie Niederösterreich und sind nun der künstlerische Leiter des Künstler*innenhauses Wien. Sind Sie der Vorzeige-Student des Instituts für Kulturmanagement und Gender Studies?
Günther Oberhollenzer: (lacht, Anm.) Nein, ich sehe mich nicht als Vorzeigestudent. Aber es ist schon spannend, wie sich das alles entwickelt hat. Der Master am IKM war der Grund, warum ich nach Wien gekommen bin. Zuvor hatte ich in Südtirol Ausstellungsprojekte kuratiert, aber meine Sehnsucht nach Wien war groß. Den Master-Lehrgang fand ich sehr überzeugend, weil er einer der ältesten im deutschsprachigen Raum und spartenübergreifend konzipiert ist. So hat es sich also ergeben, dass ich in Wien sesshaft geworden bin und verschiedene berufliche Erfahrungen gemacht habe.
Warum haben Sie sich damals dazu entschlossen, den Lehrgang zu besuchen?
Ich habe in Innsbruck und Venedig studiert: Geschichte, Kunstgeschichte und ein Fächerbündel aus Germanistik, Philosophie und Medien. Die Studien waren sehr theoretisch aufgebaut. Ich konnte danach lange Vorträge über geschichtliche Themen halten.
Aber für die Praxis, das wirkliche Arbeiten in einer Galerie, einem Museum, einem Kunstraum, war ich nicht vorbereitet.
Ich habe gemerkt, dass mir etwas fehlt. Der Master am IKM ist eine tolle Möglichkeit, sich in vielen unterschiedlichen Bereichen zu vertiefen, wirtschaftliches Denken, juristische Skills, inhaltlich von der bildenden Kunst über Kino, darstellende Kunst…. Der Austausch in den Zigarettenpausen war zudem sehr inspirierend. Man darf das nicht unterschätzen, wie viel man voneinander lernen kann: Im Lehrgang spricht man mit den unterschiedlichsten Menschen, etwa aus dem Theaterbereich oder auch mit wirtschaftlichem Background. Da haben sich tolle Begegnungen ergeben.

Ich finde es interessant, dass neben den großen Institutionen auch Personen von off-spaces lehren. Warum ist es wichtig, auch diesen Blickwinkel auf die Kunst zu werfen?
Grundsätzlich ist es wichtig, von einem sehr breiten Kunst- und Kulturbegriff auszugehen. Die großen Institutionen sind wunderbar, aber ich finde, dass für eine reichhaltige Kulturszene mittlere und kleinere Institutionen, Galerien, off-spaces, Kulturräume mindestens ebenso wichtig sind: Sie sind unheimlich vielfältig und oft ihrer Zeit voraus. Da werden Experimente gemacht und Themen angesprochen, die häufig erst später in Museen verhandelt werden. Wer in solchen Räumen arbeitet, bekommt zudem sehr rasch Einblicke in die unterschiedlichsten Aufgabenbereiche. Dort gibt es keine großen PR- oder Marketingabteilungen, keine für Ausstellungsorganisation. Eine Handvoll Menschen macht hier alles. Selbst wenn man sich danach spezialisiert: Es ist z.B. als Kurator*in gut zu wissen, wie die Pressearbeit funktioniert, selbst wenn sich im Detail dann andere darum kümmern.
Das IKM organisiert auch Exkursionen: Was war bisher die spannendste für Sie und warum?
Es ist Teil des Konzeptes, dass die Lehrenden die Studierenden in ihre Institutionen mitnehmen. Mit meinen Studierenden besuche ich etwa das Künstler*innenhaus, in dem ich künstlerischer Leiter bin. Sie können dort einen Blick hinter die Kulissen werfen: Ich bitte eine Person aus der Presseabteilung hinzu, jemand aus der Kunstvermittlung, wir gehen durch die Ausstellung gemeinsam mit der*dem Kurator*in. Wir sprechen über die Inhalte aber auch über die Organisation: Welche Herausforderungen, welche Visionen, welche Strukturen gibt es? Das ist anders, als nur eine Vorlesung mit Power Point zu halten. Zudem machen wir auch Exkursionen zu anderen Institutionen, etwa zu unseren Nachbarn, dem Nest / Neue Staatsoper oder zum Kinderkunstlabor in St. Pölten. Dieses ist gemacht für und mit Kindern, hat also einen besonderen Zugang zur zeitgenössischen Kunst.
Wem würden Sie heute empfehlen, den Master zu beginnen?
Grundsätzlich leben wir heute in einer Zeit, in der wir uns nicht mehr nur mit Inhalten auseinandersetzen – sondern auch damit, wie diese operativ umsetzbar sind. Durch den Master bekommt man professionelle Werkzeuge in die Hände, um den künstlerischen Visionen den bestmöglichen organisatorischen Rahmen zu geben. Ich würde den Master also allen Menschen empfehlen, die an einer Professionalisierung ihrer Arbeit und des Betriebes interessiert sind. Sie bekommen ein Verständnis für Budgetäres, für Organisation, für Zeitpläne, für Personalführung. Auf der anderen Seite kann es auch ein Lehrgang sein für Menschen, die aus der Wirtschaft kommen und sich künstlerische, inhaltliche Skills holen wollen.
Für welche Jobs qualifiziert dieser Master?
Da muss man sehr aufpassen, dass die Erwartungshaltung nicht zu groß ist. Es ist wohl leichter, einen Job zu finden, wenn man den Master des IKM im Lebenslauf hat. Und er kann Türen öffnen. Aber es ist nicht so, dass man automatisch einen tollen Posten bekommt. Der Master ist spartenübergreifend, vereint auf vielen Ebenen Theorie und Praxis. Die meisten Studierenden sind bereits berufstätig, wenn sie ihn besuchen. Die Absolvent*innen sind also sowohl in inhaltlichen wie organisatorischen Belangen vielseitig ausgebildet und kompetent. Am besten kommen sie für inhaltliche Jobs infrage. Wenn ich heutzutage z.B. vom Beruf des Kurators spreche, reicht es nicht mehr, die besten thematischen Konzepte zu schreiben. Kurator*innen sind auch sehr stark mit dem organisatorischen Rahmen beschäftigt: Der Lehrgang hilft, die Ideen auf den Boden der Verwirklichbarkeit zu bringen.

Wenn Sie Ihren Studierenden nur einen Satz mitgeben könnten, was wäre das?
Glaubt an die gesellschaftsverändernde Kraft der Kunst und versucht stets, eure Visionen so umzusetzen, dass möglichst viele Menschen daran teilhaben können.
Ich tue mich schwer mit künstlerischen Projekten, die einen spannenden Ansatz haben, aber nicht die Fähigkeit, die Menschen jenseits unserer Bubble miteinzubeziehen.
Es ist eine Hauptaufgabe von Kurator*innen, nicht nur die eigene Community anzusprechen. Gerade in der zeitgenössischen Kunst wird oft ein sehr elitärer Kunstdiskurs geführt. Meiner Ansicht nach sollen wir eine Sprache sprechen, die die Menschen verstehen und Ausstellungen so umsetzen, dass sie wie eine Handreichung auf Augenhöhe wahrgenommen werden. Wir müssen aus unserer Blase raus, eine Kurator*in muss immer auch Kunstvermittler*in sein. Ich versuche, das Erleben, das ich mit demder Künstlerin habe – der Besuch im Atelier, die Gespräche – emotional und packend zu vermitteln und scheitere grandios, wenn ich nur in meinem Diskurs bleibe. Es ist zudem viel schwieriger, in einfachen Worten inhaltsreich zu sprechen als in komplexen Schachtelsätzen.
Das Institut für Kulturmanagement und Gender Studies feiert 50-jähriges Bestehen. Wo wird sich das Kulturmanagement Ihrer Ansicht nach künftig hin entwickeln?
Das IKM ist wirklich ein Vorreiter, es wurde vor 50 Jahren gegründet. Den Begriff des Kulturmanagements hat es da wohl noch gar nicht gegeben. Kurator*innen saßen in einem Elfenbeinturm und haben Projekte umgesetzt – koste es, was es wolle. Das hat auch immer wieder zu finanziellen Schiffsbrüchen geführt. Die große Fähigkeit des Lehrgangs ist es, neben dem Inhalt wirtschaftliche und organisatorische Skills zu vermitteln, die diesem dienen.
Ich sehe eine Gefahr in der Gegenwart und Zukunft: Dass die Wirtschaft über Kunst und Kultur bestimmt. Wirtschaftliche Faktoren werden noch wichtiger in der Argumentation, welche Kunstprojekte umgesetzt werden – und welche nicht. Der Master hilft uns, in diesen wirtschaftlichen Diskurs einzutreten, als kompetente Person wahrgenommen zu werden. So können wir unsere Inhalte noch stärker verteidigen.
Institut für Kulturmanagment und Gender Studies (IKM)
Anton-von-Webern-Platz 1, 1030 Wien
www.mdw.ac.at/ikm/kulturmanagement/
*Das IKM veranstaltet Infoabende für alle am Master Interessierten: 12. Mai vor Ort am IKM (E0101/Campus der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien) und am 3. Juni online per Zoom. Link wird zeitnah auf der Webseite sichtbar. Ab Oktober 2025 startet ein neuer Lehrgang.