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Interview mit Michael Ornauer

Es ist nicht bunt, es ist farbig was Michael Ornauer vorlegt. Kompositionen von Tönen, die in Schichten liegen und so von der scheinbaren Unmöglichkeit des Gleichzeitigen erzählen. Davon nämlich, dass die einzelne Arbeit nicht die Parallelität ausschließt und dass im Farbpigment letztlich nur der Ansatz dessen liegt, was sich wesentlich erst im Blick konstituiert.

Michael Ornauer, 1979 in Wien geboren, wo er an der Akademie der Bildenden Künste bei Hubert Schmalix und Amelie von Wulffen studierte, liefert präzise Vorschläge für unpräzisierbare Größen unserer Wahrnehmung. Dies mag an seinem Werdegang liegen. Nach Probejahren in der Figuration, wechselte der Künstler in die Abstraktion. Es war allerdings weniger eine Abkehr, als eine Zuwendung zu dem, was in seinem Werk längst angelegt war. Ornauer übte den Blick zu fokussieren, auf die Momente zwischen den Darstellungen. Auf die Flächen, die jeden Malgrund ausformulieren, mal mehr und mal weniger. 2018 schließlich hatte „der Gegenstand, den man der Malerei aufsetzt“, so Ornauer, völlig ausgedient. Das Dazwischen, die Suche zwischen Abstraktion und Fläche, wurde zum Hauptakteur im Werk. In der vom Keilrahmen vorgeschlagenen Beschränkung testet Ornauer die Grenzen des Malgrunds und den Moment vom Bild zum Objekt. Dies geschieht in sehr unterschiedlichen Werkserien, die allesamt die Malerei in ihren Grundfesten befragen. Ob Ornauer die Farbschichten schleift, sodass ihr Unterstes erscheint, ob er, wie aktuell, mit der Materialität von Kreidetafeln experimentiert oder, wie in seinen neuen Werken, bis über den Rand der Leinwand Öl modelliert. Zwischen Geometrie und Farbverlauf ist hier alles möglich. Michael Ornauer ist Verfechter der Malerei, betrachtet ihren Akt als „Spektakel“, ihre konkreten Aussagen als „überbewertet“. Malerei ist „die Form, in die ich hineingieße“, so der Künstler. Ein physischer Akt in dem er die Parameter seines Tuns untersucht. Erprobt auch, wie weit er gehen darf hin zum Schönen.

 Michael Ornauer  Michael Ornauer künstler studio
Künstler Michael Ornauer. Foto: Anna Niederleitner

Jener verworfenen Idee der Moderne, die nur mit Mut eine Wiederaufnahme in der Kunst zulässt. Michael Ornauer stellt sich dieser Provokation.

Mit Konrad Paul Liessmann gesprochen, steht das Schöne im Verdacht nur eine falsche Harmonie darzustellen. Liessmann folgert aber weiter, dass Schönheit sich aber eben nicht nur in Gefälligkeit und Ebenmaß bestimmt, wie es die Antike dachte, sondern dass diese Ideen mit Recht in der Moderne dekonstruiert wurden. Und so vervollständigt sich das von Intuition getriebene Werk Michael Ornauers folgerichtig an den Bruchstellen. Indem er den Makel nicht nur annimmt, sondern herausfordert, findet der Künstler eine neue Harmonie, die sich eben nicht aus Symmetrie errechnet, sondern eine Art Gleichgewicht im Unausgeglichenen entwickelt. Indem Ornauer die Lehren von Form und Maß mit der Maßlosigkeit des Reizes ausbalanciert, bespricht er einen neuen Schönheitsbegriff. Er handelt von einer Schönheit, die darin besticht, dass sie in ihrer vermeintlichen Unvollkommenheit Wahres suggeriert. Ein Reiz, der Nähe zum Betrachter zulässt, weil er das erhabene Moment der Abstraktion im Realen bricht und somit ästhetische Ideale im Raum und als Objekt, als Gegenüber zum Betrachter, ausformuliert. Gerade auch die Farbigkeit ist es, die Ornauer auf diesem Weg Allianzen stellt. „Das Farbenfrohe hat man uns ausgetrieben“, erzählt der Künstler von seinem Drang ins Farbige, dem er nachzugehen lernte. Bloße Gefälligkeit hat damit wenig zu tun. Die Prämissen der Schönheit werden von Michael Ornauer nicht nur auf die Probe gestellt, sondern gänzlich neu ausverhandelt. Wie Liessmann schreibt: „Schönheit ist auch ein Risiko“. So bestätigt sich Harmonie eben nicht immerzu in absoluter Symmetrie und schlichter Proportionalität, sondern im Ausgleich aus apollinischen und dionysischen Werten. Im Gleichzeitigen des angeblich Bipolaren. ■ Paula Watzl, Juni 2020

Nr. 20068, 60x50cm, oil-linen, 2020
Nr. 20068, 60x50cm, oil-linen, 2020

Inspiration/Gefühl und Thematik woher kommt es?
Die Frage müsste man eher einem Psychoanalytiker oder sonst jemand stellen, der sich mit dieser Ursachenforschung wissenschaftlich auseinandersetzt. Als Künstler muss ich tun, nicht unbedingt verstehen. In gewisser Weise ist ein intellektuelles Verstehen oder das Kennen von Ursachen sogar ein Problem im künstlerischen Arbeiten. Meiner Erfahrung nach ist es besser, aus einem toten Winkel heraus zu schaffen. Das Werk braucht das Mystische, das Unerklärbare und Geheimnisvolle. Löst man ein Gewebe auf, hat man dann am Ende zwar den Faden (als die Ursache), verliert dabei aber das Gewebe (das Kunstwerk). Unser Verstand will immer verstehen, wissen und sucht nach Erklärung. Das Schöne an der Kunst ist, dass unser Verstand allein nicht ausreicht, um zu einem tieferen Verständnis zu kommen. Das trifft ja nicht nur auf die Kunst zu, sondern auf das Leben generell. Was ist der Sinn des Daseins, woher kommt das alles und wozu? Meine Antwort darauf? Es interessiert mich nicht! Vielmehr freue ich mich an dem mystischen Gewebe, das wir Leben nennen.

Nr. 20092, 60x50cm, oil-jute, 2020
Nr. 20092, 60x50cm, oil-jute, 2020

Welcher Künstler oder welche Kunstbewegung inspiriert Dich?
Mit dem Begriff Inspiration habe ich so meine Schwierigkeiten. Nicht nur ich, denn es gibt dazu ein Zitat von Chuck Close: “Inspiration is for amateurs. The rest of us just show up and get to work.“. Zudem geistert der Begriff Inspiration schon zu lange durch Bereiche unseres Lebens, wo er durch die falsche Anwendung komplett die Bedeutung eingebüßt hat. Ich meine damit zum Beispiel, wenn ein Schuhgeschäft als Werbeslogan bringt, man solle ins Geschäft kommen und sich durch das Sortiment an angebotenen Schuhen zum Kauf „inspirieren“ lassen…

Aber gut, ich verstehe schon worauf diese Frage eigentlich abzielt: Wer oder was beeinflußt mich? Das ist sehr wechselhaft. Als ich noch gegenständlich gearbeitet habe, waren das natürlich ganz andere Künstler als heute. Als sehr junger Maler fand ich sogar mal die phantastischen Realisten gut, mittlerweile kann man mich damit jagen. Heute sind’s z.B. Leute wie Pierre Soulages oder Per Kirkeby, deren Werk mich fasziniert. Momentan hat mich die Abstraktion fest im Griff und ich glaube, dass sie die Lösung für alle künstlerischen Fragen ist. Natürlich dachte ich vor 20 Jahren dasselbe über die Realistische Malerei und weiß heute, ich habe mich geirrt. Und so beobachte die wechselnden Einflüsse und nehme das alles nicht mehr so ernst. Doch eine Richtung fand ich immer schon sehr gut und daran hat sich bis heute nichts geändert: die Alten Meister.

Wie viel Zeit am Tag verbringst du mit Kunst?
Ich habe einen geregelten Arbeitsalltag, dessen Ablauf sich über die Jahre herauskristallisiert hat und der sich nur ab und zu leicht verändert. Es gibt bestimmte Arbeitsgänge, die ich lieber am Vormittag verrichte, wie zum Beispiel das Aufspannen und Grundieren von Leinwänden, oder andere vorbereitende Tätigkeiten. Am Nachmittag beginnt dann das Malen selbst. Das kann dann bis in die Abendstunden gehen. Das Kunstschaffen ist für mich sozusagen eine Vollzeitbeschäftigung.

Gibt es einen richtigen Moment eine Arbeit zu beginnen?
Die kurze Antwort: Wenn die Zeit gekommen ist. Das klingt so einfach wie es in der Praxis oft schwer ist, den richtigen Zeitpunkt für eine Sache zu spüren. Wir sind als moderne Individuen derart von Ratio und (scheinbarer) Logik geprägt, dass es uns kaum mehr gelingt, auf Wahrnehmungen jenseits unseren Verstandes zu hören. Gerade die abstrakte Malerei ist ein ausgezeichnetes Werkzeug, um die Vorherrschaft unseres Denkens zu brechen und andere, tieferliegende Sinne wiederzuentdecken. Als Künstler muss ich ja nicht nur spüren, wann der richtige Moment für das Beginnen gekommen ist. Vielmehr muss ich bei jedem Handgriff, bei jeder Handlung, die ich am Bild vollziehe, entscheiden was/wann/wie lange, usw.

Woher weiß man, wann eine Arbeit vollendet ist? Das ist vielleicht sogar die interessantere Frage. Worauf sich ebenfalls keine befriedigende Antwort (für den Verstand) finden lässt…

Nr. 21034, 60x50cm, oil-linen, 2021
Nr. 21034, 60x50cm, oil-linen, 2021

Wie wichtig ist dir die Selbstvermarktung?
Ich weiß nicht so recht was das sein soll „Selbstvermarktung“. Als Künstler verspüre ich ein gewisses Sendungsbewusstsein und vielleicht sogar einen Hang zur Selbstdarstellung. Das beobachte ich nicht nur bei mir, sondern sehe ich auch bei vielen Kolleginnen und Kollegen; selbiges wenn man die Kunstgeschichte betrachtet. Aber kann man deswegen Rubens als Selbstvermarkter bezeichnen? Ich denke nicht. Der Begriff Selbstvermarktung passt eher in die Welt der neuen Selbstständigen und Startups. Dort gehört er hin und soll er bleiben. Ich vermarkte mich nicht selbst, sondern verschaffe meinem Werk und mir „Gehör“. Weil ich davon überzeugt bin, dass meine Arbeit eine Relevanz für die Allgemeinheit hat und nicht nur für mich selbst.

Michael Ornauer Michael Ornauer künstler studio
Michael Ornauer im Atelier. Foto: Anna Niederleitner

Was gibt es noch außer Kunst?
Wie gesagt, die Kunst ist für mich eine Vollzeitbeschäftigung und somit mein Lebensinhalt. Natürlich bietet das Leben noch viel mehr, vor allem die Interaktion mit anderen Menschen. Aber selbst das ist im Prozess des Kunstschaffens inkludiert – es gibt ja kein Kunstwerk ohne Rezipient. Die Frage was es außer Kunst noch gibt, lässt sich ohne Abklärung des Kunstbegriffes ohnehin kaum beantworten. Obwohl mein eigenes Werk bestimmt in einem traditionellen Kunstbegriff verortet werden kann (schließlich handelt es sich dabei um gemalte Bilder/Objekte), bin ich trotzdem für einen erweiterten Kunstbegriff wie ihn zum Beispiel Joseph Beuys geprägt hat. Demnach gibt es außer der Kunst nicht viel, weil tendenziell alles was wir tun, denken, empfinden oder wahrnehmen Kunst ist/sein kann.

Welche Pläne hast du für 2021?
Im Juni ist eine Einzelausstellung in der Galerie Suppan bereits fixiert, und auf der Viennacontemporary werde ich ebenfalls von der Galerie Suppan vertreten sein.

Michael Ornauer – www.ornauer.com