Wien Kunst
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Malen ist wie eine Revolution…

Die Bilder von Erzsebet Nagy Saar, die noch bis einschließlich 4. Juni 2022 in der Galerie Amart zu sehen sind, zeugen von Tiefe, und winden sich dennoch leicht rauschend durch den Raum. Saars neueste Serie »Inner Spaces« eröffnet dabei wortwörtlich Innere Welten, die fast logisch an das bisherige Schaffen der Wiener
Innenansicht Ausstellung © Galerie Amart
Ausstellungsansicht. Saar »Inner Spaces«

Mit ihrer aktuellen Serie »Inner Spaces« zeigt uns Erzsebet Nagy Saar die Möglichkeit auf, wie wir auch in den einsamsten Krisenzeiten, aus uns selbst heraus innere Räume kreieren können, um Kraft und Hoffnung zu generieren. Die Serie, die vollständig in der Pandemie-Zeit entstanden ist, erzählt dabei in Saars kräftiger Handschrift nicht nur von einer inneren Wandlung, sondern auch von einer ästhetischen, die sich fast konsekutiv von Bild zu Bild fortzuspinnen scheint. Die Freiheit, die dabei im Betrachtenden entsteht, wird zudem durch Saars eigene Intuition ihrer Malerei gegenüber ausgelöst, die für sie nichts anderes als dieser Freiraum ist: »Farben auf die Leinwand zu bringen: Das ist für mich Freiheit.«

Inner Spaces I © Galerie Amart
Ausstellungsansicht. Saar »Inner Spaces«

Formen in der Formlosigkeit. Es ist spannend, wie Saars‘ dick-aufgetragenen Farbschichten, die sie mit Spachteln immer wieder abzieht und so ineinander fließen lässt, die Leichtigkeit konterkariert, mit der man beim Betrachten der Bilder durch die Ausstellung rauscht. Genauso gegensätzlich scheint die Spontanität der von Saar als »Formen in der Formlosigkeit« bezeichneten Sujets zur doch sehr durchdachten Mal-Praxis. Jene ist aus Saars jahrelanger Ausbildung und ihrer Hartnäckigkeit entstanden, ihre eigene Formsprache zu finden. Durch ihr Studium der Malerei bei Ludwig Baranyai an der Akademie der bildenden Künste Wien, lernte Saar zu aller erst in ganz klassischem Sinne figuratives Arbeiten, welches sie aber bald schon ablegte und sich mehr dem Konzept-losen und Ungeplanten zuwandte: »Ich könnte z.B. niemals ‚Berge‘ malen – Das ist unmöglich. Für mich sind das alles Formen in der Formlosigkeit! Hier verbindet sich die Natur mit der Malerei. Das ist für mich die einzige Wahrheit. Anders als indem ich male, könnte ich das nicht ausdrücken. Für mich ist das der alleinige Weg. Alle Worte wären dafür unpassend.«

Bild 4, Saar, Ourtenoir, 2021, Acryl auf Leinen, 183 x 152 cm
Saar, Ourtenoir, 2021, Acryl auf Leinen, 183 x 152 cm

Wandlungen. Auch gezeigt in der aktuellen Ausstellung, werden Werke ihrer letzten Serie »Wandlungen«, die eine seltsam ambivalente Gegenstimmung zu den »Inner Spaces« erzeugen und sie doch gleichsam ergänzen. Während sich die »Inner Spaces« auf einzelne Farben beschränken, strotzen die »Wandlungen« von einem Überlagern von Farben, primär aber Blau, Grün und Gelb, die wie Saar beschreibt, ganz »ihre« Farben seien. Das Unabgeschlossene, Sich-windende der »Inner Spaces«, trifft in den »Wandlungen« auf Landschafts-ähnliche Farbspektra, in die man durch die Tiefe der teils zehnschichtig bemalten Leinwände gleichsam eingesaugt wird. Während Saar dementiert, dass es ihr beim Malen der »Inner Spaces« um konkrete Figurationen gegangen wäre, kommentiert sie die »Wandlungen« in sehr viel direkterer Weise: »Das sind definitiv Landschaften. Für mich sogar eindeutig. Da kann ich nur sagen: Hier ist die Natur, das Reisen und die Sehnsucht danach direkt eingeflossen.« Ein ganz wichtiger Bezug nämlich, den Saar auch nicht müde wird zu erwähnen, ist ihre persönliche Verbindung zur Natur. Wie sie selbst erzählt, sei das kleine Stückchen Himmel, dass sie von ihrem Atelier aus sehe, genauso wie die Bäume vor ihrem Fenster »lebensnotwendig« und gleichfalls eine große Inspiration. Jene kleine Luke zur Welt, ist genau die Brücke, die Saar auch mit ihren Bildern schlägt: Die Intuition des Sehens, als das direkteste Sinn-Erleben, übersetzt Saar durch ihre Bildsprache derart, dass man auch als Betrachtende*r anfängt die Welt mit den Augen anders zu entdecken.

Eine Zweite Haut. Die unterschiedlichen Texturen der Bilder andererseits, laden beinahe dazu ein, die Umgebung anders zu spüren: Man wird so nicht nur optisch von den der buchstäblichen Schwere des Materials angezogen, sondern will am liebsten in die Leinwände hineingreifen. Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, dass Saar in ihren Beschreibungen Analogien zu Kleidung anstellt: »Wenn ich ein Bild auf eine Leinwand male, dann denke ich mir oft: Am liebsten würde ich es anziehen! In diesem Falle hatte ich wirklich vor eine zweite Haut für mich zu malen. Allein durch die ganze Struktur in der Farbe: Das fühlt sich an wie eine Haut!« Konkret spricht Saar hier von ihrem Bild »Outrenoir«, das sich ganz besonders deswegen von den anderen »Inner Spaces« abhebt, als dass es ganz in Schwarz gehalten ist und (nicht nur im Titel) ein Direktverweis auf Saars intensive Beschäftigung mit Pierre Soulages ist. Nicht nur – so Saar – löste Soulages durch seine Arbeit und den von Umwegen geprägten Werdegang große Faszination bei ihr aus. Gleichfalls sei Schwarz auch die (Nicht-)Farbe, die ihr im Tragen derselben am meisten Sicherheit gäbe. Es ist also keine Übertreibung zu sagen, dass Saar sich hier wirklich einen »Inner Space« geschaffen hat, der einem inneren Rückzugsort gleicht.

Saar, Portrait im Atelier
Saar, Portrait im Atelier

»Es passiert einfach« Eines der schönsten Dinge in der Auseinandersetzung mit Saar, ist ihre Art, trotz der komplexen Mal-Routine und dem immer neuen Ausprobieren anderer Mischtechniken, in einem Stadium der Spontanität zu verbleiben. Es lässt an die japanische Kalligrafie-Praxis denken, die sich auch durch ihr jahrelanges und sehr strenges Training auszeichnet, um dann zum richtigen Zeitpunkt und im eigentlichen Akt des Zu-Papier-Bringens, eine Spontanität zu generieren, die wortwörtlich »aus der Hand« geht. Und diese gelernte Leichtigkeit im Spontanen ist ganz genauso auch für den Betrachtenden in den Bildern zu spüren. Trotzdem schwebt jene Leichtigkeit auch nicht im luftleeren Raum, sondern lässt durchaus Assoziationen zu, die einen die Bilder auch ohne jegliches Vorwissen ganz intuitiv verstehen lassen: »Egal, was ich im Atelier mache – ich denke mir immer: Es kommt zwar ‚einfach so‘ aber irgendeinen Sinn muss es haben. Eine Verbindung zur Welt findet trotz der Spontanität immer statt.« Diese Verbindung lässt sich dieser Tage in der Galerie Amart durch das Werk von Erzsebet Nagy Saar nicht einfach nur spüren – Vielleicht erschließt die*der eine oder andere auch potenzielle neue Räume für sich selbst, die bisher unbekannt waren.

Die Ausstellung läuft noch bis inklusive 4. Juni 2022 in der Galerie Amart – Halbgasse 17, 1070 Wien.

Adresse und Kontakt:
Galerie Amart
Halbgasse 17, 1070 Wien
www.ateliersaar.art