Innsbruck Kunst
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Interview mit Clemens Sellaoui

In seiner Arbeit fragt Clemens Sellaoui nach der emotionalen sowie rationalen Konstituierung der materiellen Welt. Dabei geht es ihm weniger um die Suche nach einer kohärenten Logik, als um das Aufzeigen sich ständig verändernder Strukturen von Sinnkonstrukten. Mit dieser Bedingung schafft er in seiner Arbeit Räume, in denen Fiktionen neben Fakten existieren können, Spekulationen zu Tatsachen werden und Visionen zu Realitäten.
Ausstellungsansichten Here and Elsewhere, 2020
Ausstellungsansicht. Here and Elsewhere, 2020, Foto: Clemens Sellaoui

Womit beschäftigst du dich in der Kunst?
Ich interessiere mich stark dafür welche Rolle das Materielle in unserem Leben spielt – welche Ideologien und welche Gefühle es trägt. Auch, wie unsere eigene Existenz sich gegenüber unserer Umgebung definiert. Ich habe gemerkt, dass die Auseinandersetzung mit diesen Themen in meiner Arbeit meist emotional erfahrbar wird. Am Ende sind es ja neben der Ratio viele Reize die das Erlebnis beim Betrachten von Kunst bestimmen. Die Ausstellungen und Arbeiten die mir am meisten in Erinnerung geblieben sind, waren die, die mich auf einer emotionalen Ebene berührt haben.

Dabei bin ich der Meinung, dass Empathie eine entscheidende Rolle spielt. Sie ermöglicht es, neben unserem Wissen, uns auf Perspektiven einzulassen, die wir vermutlich nie eingenommen hätten.

Welche Rolle spielt die Natur für dich?
Darüber habe ich nie so genau nachgedacht. Das scheint zwar gerade ein sehr aktuelles Thema zu sein, aber für mich scheitert eine Antwort schon bei der Definition von Natur. Ich könnte versuchen die Frage theoretisch zu beantworten, aber das will ich mir gerade ersparen. Wer sich aber dafür interessiert, dem kann ich das „Terrestrische Manifest“ von Bruno Latour empfehlen – ein schöner Essay, der einen Ansatz verfolgt, dem ich bei diesem Diskurs etwas abgewinnen kann.

Mit welchen Materialen arbeitest du? Wie ist deine künstlerische Herangehensweise?
Ich mag Materialien dessen Stofflichkeit nicht mehr klar identifizierbar ist, Materialien die möglichst frei von Assoziationen sind, aber auch Materialien die wiederum eine Menge an potentiellen Existenzformen zulassen, wie zum Beispiel industrielles Halbzeug. Die Bedeutung der Materialität für meine Arbeit rührt wahrscheinlich daher, dass ich das Material weniger als Mittel zum Zweck betrachte, sondern als bereits vorhandenen Inhalt, den es erst mal zu erfassen gilt. Man könnte behauten, dass sich das Medium und der Inhalt auf selber Ebene begegnen. Was die Herangehensweise an meine Arbeit betrifft, so fängt alles meist mit einer blassen Vision, die mich in einen Zustand der Aufregung versetzt, an. Hält dieses Gefühlt an, so entsteht ein immer stärkeres Bedürfnis, dem ich dann schlussendlich nachgebe und mich an die Realisierung mache.

Was machst du zum Ausgleich in deiner Freizeit?
Ich bin gern auf Reisen und liebe es in die Sauna zu gehen – auf beides musste ich jedoch seit Ausbruch der Pandemie verzichten. Ansonsten verbringe ich viel Zeit in meinem Homestudio und mache Musik, kürzlich habe ich mir sogar ein (europäisches) Harmonium zugelegt – ein echt spannendes Instrument.

Kunst und Kultur in Innsbruck. Welche Plätze, Galerien, Kreativräume würdest du uns empfehlen?
Ich finde Innsbruck hat für eine Landeshauptstadt eine lebhafte Kulturszene. Das habe ich wieder gemerkt als ich letztes Jahr dort war um meine ersten beiden Einzelausstellungen abzuhalten. Das war zum einen im BRUX – Freies Theater Innsbruck, das mit „Vorbrenner“ eine spannende Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen hat, die sich dem Verschränken unterschiedlicher Disziplinen verschrieben hat und zum anderen die neue Fördergalerie der Stadt Innsbruck, die jungen Kunstschaffenden eine Plattform bietet. Die Wertschätzung für die Kunst war an beiden Orten sehr zu spüren – das habe ich nicht immer so erlebt. Ansonsten gibt es noch ein paar interessante Galerien und Museen auf die ich jetzt nicht eingehen möchte, da sie sowieso einfach zu finden sind.

Künstler. Clemens Sellaoui
Künstler Clemens Sellaoui, Foto: Sophie Lindinger

Woran arbeitest Du gerade?
Das Hauptprojekt an dem ich gerade arbeite ist ein Film in Japan. Dabei geht es vor allem um den peripheren urbanen Raum unterschiedlicher japanischer Städte, der sich im Zuge der jüngsten „urbanen Sanierungsaktionen“ angesichts der Olympischen Sommerspiele 2020 (2021) stark verändert hat. Als Referenz habe ich mir die Olympiade 1964 angesehen die ja einen großen Einfluss auf die Zukunft des ganzen Landes hatte. Auf dieses Projekt freue ich mich besonders, da ich schon lange davon träume einen Film zu machen. Weiters bin ich dabei eine kleine Buchpräsentation eines kürzlich fertiggestellten Buches im Eigenverlag zu planen – sofern es die Umstände zulassen. Das Buch kann quasi als dokumentarisch, essayistischer Vorläufer zum Film verstanden werden. Zuletzt gibt es noch eine Arbeit im öffentlichen Raum auf die ich mich auch schon sehr freue. Was meine neuen Projekte verbindet, denke ich, ist der Wusch die vier Wände meines Arbeitsraumes zu verlassen und mich mehr „dem da draußen“ widmen zu können. Das ist ganz interessant, da ich dem Atelier als isolierten, auratischen Produktionsort eigentlich nie viel abgewinnen konnte. Das hat sich wahrscheinlich auch durch die aktuelle Lage etwas verstärkt.

Clemens Sellaoui – www.clemenssellaoui.com